Julia Extra Band 348
leiten ließen, kannte er nur zu gut. Mehr als einmal hatte er mit ansehen müssen, wie seine Mutter ihrem egoistischen Bedürfnis nach Aufmerksamkeit nachgegeben hatte und in einen Strudel geraten war, der sie immer weiter nach unten gezogen hatte. Er hatte sie nicht aufhalten können. Zwar hatte er es überlebt, aber nicht ohne Narben davonzutragen.
„Ein Liebhaber kann sich in Ihrer Nähe aufhalten, ohne Verdacht zu erregen“, erklärte er. „Sie hätten einen zusätzlichen Leibwächter, und niemand würde Fragen stellen.“
„Sie haben mir wohl nicht zugehört. Ich will keinen Liebhaber. Ich möchte noch nicht einmal so tun, als ob ich einen hätte.“
Es war zwecklos. Warum stritt er noch mit ihr? Er hatte getan, was er Brady versprochen hatte, und seine Hilfe angeboten. Jetzt konnte er sie ruhigen Gewissens in ihr Zimmer bringen und verschwinden.
Doch es ging ihm gegen den Strich, vorschnell aufzugeben. Denn er hatte das Gefühl, dass sie wirklich in Gefahr schwebte. Die Stimmung in ihrem Land konnte jederzeit umschlagen. Auch war bekannt, dass der alte Präsident über den Ausgang der Wahl alles andere als erfreut war. Monsieur Brun hatte sich zwölf Jahre lang an der Macht gehalten, bevor er gegen diese Frau verloren hatte, die über keinerlei politische Erfahrung verfügte.
„Sie brauchen einen Leibwächter. Der Drohbrief hätte niemals auf Ihrem Tisch landen dürfen. Die Lage wird sich zuspitzen, glauben Sie mir.“
„Es gab keinen Drohbrief.“
„Brady hat etwas anderes behauptet.“
Sie stieß den Atem zwischen den Zähnen aus. „Es war nur ein einziges Wort, die Buchstaben waren aus der Zeitung ausgeschnitten und auf ein Blatt geklebt worden. Da kann man kaum von einem Drohbrief sprechen.“
„Haben Sie den Brief aufbewahrt?“
„Ich habe ihn weggeworfen.“
Das hätte nicht passieren dürfen. „Ist so etwas zuvor schon einmal vorgekommen?“
„Bevor ich Präsidentin wurde?“
„Genau.“
„Nein. Ich glaube nicht, dass es damit zu tun hat. Jeder Mensch hat Feinde.“
„Aber nicht jeder ist Präsident eines Staates. Jedes noch so kleine Vorkommnis kann eine echte Bedrohung für Ihre Sicherheit darstellen.“
„Ich habe verstanden“, sagte sie mit tonloser Stimme.
„Dann verstehen Sie auch, dass wir nur so tun, als wären wir ein Liebespaar“, erwiderte er.
Eigentlich schade. Sie war eine außerordentlich sinnliche Frau. Von der Bar aus hatte er beobachtet, wie sie durch den Raum geschritten war. Ihr Lächeln war männermordend gewesen, ebenso die vollen Brüste, die ihr dunkelrotes Abendkleid kaum verhüllt hatten. Dazu die langen schlanken Beine, die durch den langen Schlitz ihres Kleides hervorgeblitzt waren.
Das platinblonde Haar hatte sie hochgesteckt, das Kleid hatte einen so tiefen Rückenausschnitt gehabt, dass man ihre herrlich weiche Haut gesehen hatte. Jeder Mann hatte ihr begierig hinterhergestarrt.
Als er in ihre Nähe gekommen war, hatte sein Körper ebenfalls sofort reagiert. Aber damit konnte er umgehen. Seit seiner Ausbildung beim Militär war er Entbehrungen und Schmerz gewohnt. Sich selbst ein Vergnügen zu versagen war eine seiner leichtesten Übungen.
„Wir dürfen noch nicht einmal so tun, als wären wir ein Liebespaar“, sagte sie. „Ich bin ein Staatsoberhaupt und muss auf meinen Ruf achten.“
„Sie sind Single, also dürfen Sie sich auch mit einem Mann treffen. Die Menschen in Ihrem Land werden schon nichts dagegen haben.“
„Aliz musste zu viele Krisen durchstehen. Mein Land verdient eine Präsidentin, die nur an das Staatswohl denkt, nicht an ihr Privatleben.“
„Ihr Volk hat Sie gewählt, weil Sie ein glamouröses Leben führen. Es ist stolz darauf, dass Sie in der ganzen Welt berühmt sind. Wenn Sie jetzt die biedere Politikerin geben, wird es enttäuscht sein. Natürlich wünscht sich Ihr Volk, dass Sie die Staatsgeschäfte regeln. Aber es wünscht sich auch die Veronica St. Germaine, die es liebt und verehrt.“
„Woher wollen Sie das wissen?“, fragte sie verärgert. „Sie sagen doch nur das, was Ihre eigenen Pläne vorantreibt.“
„Meine eigenen Pläne? Es ist nur zu Ihrem Besten, wenn ich Sie beschütze.“
Um seinen Worten Nachdruck zu verleihen, legte er ihr die Hände auf die Schultern und zog sie an sich.
Instinktiv versuchte sie, seine Brust wegzuschieben. „Was soll das?“, sagte sie atemlos.
„Wir sind allein.“ Er versuchte, seine Stimme grob, nicht verführerisch klingen zu lassen. „Niemand würde
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