Julia Extra Band 348
mich einweihen müssen.“
„Er hat Sie gern.“
„Ich weiß“, sagte sie leise. Brady war ein echter Freund, allerdings hatte er immer mehr sein wollen. Leider konnte sie seine Gefühle nicht erwidern, trotzdem blieb ihre Freundschaft davon ungetrübt. Brady gehörte zu der Sorte Mann, für die sie sich eigentlich hätte interessieren sollen. Das Leben wäre dadurch wesentlich leichter gewesen.
Raj strich geschickt über ihre Hand. Warum stand sie immer auf Männer, die schlecht für sie waren? Männer wie dieser – schön, gefährlich und unfähig, hinter ihre Fassade zu blicken.
Allerdings war sie allein schuld daran. Schließlich hatte sie Jahre damit zugebracht, eine Schutzmauer um ihre Seele zu errichten und sich interessant und unwiderstehlich zu geben. Jetzt wusste sie kaum noch, wie man sich einem Mann gegenüber aufrichtig verhielt.
Seine Stimme riss sie aus ihren Gedanken. „Können Sie nach allem, was heute passiert ist, Ihren Leuten noch vertrauen?“
Ihr lief es eiskalt über den Rücken. Über diese Frage hatte sie bislang nicht nachdenken wollen.
Der Brief, den sie heute Morgen erhalten hatte, fiel ihr wieder ein. Darin hatte nur ein einziges Wort gestanden, aus einzelnen Buchstaben ausgeschnitten und zusammengeklebt: Schlampe. Wahrscheinlich hatte es nichts weiter zu bedeuten, sondern war nur das Werk einer ehemaligen Rivalin.
Eine Frage hatte sie allerdings den ganzen Tag beschäftigt: Wie war der Brief an ihren Sicherheitsleuten vorbei auf ihrem Tisch gelandet?
Sie hatte die Sekretärin ausgehorcht. Den Wachposten. Das Zimmermädchen. Den Pförtner des Hotels. Niemand schien etwas bemerkt zu haben.
In ihrer Verzweiflung hatte sie sich an Brady gewandt. Jetzt bedauerte sie den Schritt, weil er daraufhin diesen Mann engagiert hatte.
„Ja, ich vertraue ihnen.“ Was hätte sie sonst sagen sollen? Hätte sie vor einem einzigen Brief Angst haben sollen? Dass ihr Bodyguard seinen Posten im Stich gelassen hatte, stand auf einem anderen Blatt. Es bedeutete nicht, dass alle ihre Leute unfähig waren.
„Dann müssen Sie entweder naiv oder dumm sein, Frau Präsidentin.“
„Was erlauben Sie sich?“, entgegnete sie scharf. Sein herablassender Tonfall sollte wohl zeigen, dass er sie für unwürdig hielt, das Amt einer Präsidentin zu bekleiden.
Ihm stand es nicht zu, darüber ein Urteil zu fällen. Schließlich war er kein Bürger ihres Landes. „Nur weil einer unerlaubt seinen Posten verlassen hat, sind nicht alle schlecht.“
Sein Daumen auf ihrem Handgelenk bewirkte wahre Wunder. Ihre Haut prickelte bis hoch in die Arme, in den Nacken hinein. Ein leichtes Stöhnen entfuhr ihr.
Warum nur musste er gerade jetzt ihre allzu menschlichen Bedürfnisse wecken?
Es war die falsche Zeit, der falsche Ort und der falsche Mann.
Es musste an den Umständen liegen: Sie saß im Dunkeln, neben ihr ein aufregender Fremder, der ihre Hand streichelte, als hätte er ein Anrecht darauf. Seit der Fehlgeburt hatte sie keinen Mann mehr in ihre Nähe gelassen, kein Wunder also, dass ihre Sinne überreagierten.
„Soll ich Ihnen verraten, welches die beste Idee wäre?“, sagte er.
„Habe ich eine Wahl?“, erwiderte sie brüsk.
„Sie haben immer eine Wahl. Es sei denn, ihre Sicherheit steht auf dem Spiel.“
Am liebsten hätte sie ihn zum Teufel gejagt. Für wen hielt er sich, dass er sich in ihr Leben mischte?
Aber er massierte ihr verletztes Handgelenk, und sie entgegnete nichts, weil sie nicht wollte, dass er aufhörte.
Nur einen Moment später strich er über ihren Arm, ihre Schulter, ihren Hals, ihre Wange und berührte schließlich ihren Mund. Warum ließ sie es geschehen?
Die federleichte Berührung, mit der sein Finger über ihre Lippen fuhr, ließ sie erzittern. Er war wirklich geschickt. Vielleicht hatte er doch den Beruf verfehlt und wäre besser Gigolo geworden.
„Also, wie sieht Ihre Idee aus?“, fragte sie möglichst kühl.
Seine Finger fuhren jetzt sanft und zärtlich über ihr Kinn, ihren Hals. Veronica wusste, dass sie einen Fehler begangen hatte, als sie sich nicht sofort dagegen gewehrt hatte.
„Es ist ganz einfach. Sie müssen sich einen Liebhaber zulegen, Frau Präsidentin.“ Seine Stimme klang unglaublich sexy.
Ihr Atem setzte kurz aus, ihr Magen krampfte sich zusammen. Also doch: Er tat so, als wolle er ihr helfen, dabei dachte er nur an seinen eigenen Vorteil. Von solchen Männern hatte sie genug.
„Kommt gar nicht infrage“, sagte sie schroff. „Und wagen Sie
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