Julia Extra Band 356 - Ebook
und meinem Großvater ruinieren würde … alles an Familie, was ich noch hatte …“
„Oh Carlos …“
Er lachte hart auf. Der Moment der Offenheit, der Zugänglichkeit war vorbei. Er zog sich wieder hinter einem Schutzwall der Gleichgültigkeit zurück. „Die Sorgen hätte ich mir sparen können, was? Es existierte kein Verhältnis, das hätte ruiniert werden können. Dafür hatte meine Mutter längst gesorgt.“
Die Mutter, die ihn bei Javier zurückgelassen hatte, um ihr eigenes egoistisches Leben führen zu können. Martha blieb keine Wahl. Carlos’ Worte und sein bitteres Lachen bestätigten nur ihre Entscheidung: Er war nicht für feste Beziehungen gemacht – kein Wunder, nach den Erfahrungen mit seiner Mutter und Ella.
„Manche Beziehungen sind es nicht wert, aufrechterhalten zu werden“, sagte sie. „Wahre Liebe schränkt einen Menschen nicht ein, sondern macht ihn frei.“
Sanft küsste sie ihn auf den Mund, auch wenn sie sich keineswegs sicher war, ob er es begrüßen würde. Doch sobald sich ihre Münder trafen, schlang Carlos den Arm um ihre Taille und zog sie auf sich.
„Genug geredet“, murmelte er an ihren Lippen. „Da gibt es viel angenehmere Dinge …“
Als er seine Hände über ihren Körper wandern ließ, flammte das Verlangen in Martha auf, das sie erst kannte, seit sie ihn getroffen hatte … eine überwältigende Macht, die alle Vorschriften und Regeln der Vernunft, nach denen sie einst ihr Leben gelebt hatte, einriss und niederwalzte. Es machte ihr Angst und versetzte sie gleichzeitig in einen Rausch der Begeisterung, und ihre Leidenschaft stand der seinen in nichts nach.
Wie hätte sie sich diese Nacht versagen können? Die Realität würde sie bald genug einholen, sie würde sich ihr stellen müssen. Doch jetzt … mehr als das Hier und Jetzt wollte sie nicht. Für den Moment war es ihr genug.
Und so ergab Martha sich der Leidenschaft, die heiß wie Lava in ihr brannte. Ließ die Lava überbrodeln und überließ sich allein den Gefühlen … und dem Mann, der in so kurzer Zeit zum Zentrum ihrer Welt geworden war.
Wenn morgen der neue Tag anbrach, würde sie es ihm sagen. Würde ihm die Gründe nennen, warum sie ihn nicht heiraten konnte. Würde sich selbst von diesen Gründen überzeugen müssen, wenn doch ihr dummes Herz nichts anderes wollte, als Carlos’ Antrag annehmen, ohne sich auch nur einen Deut um die Konsequenzen zu scheren.
Nur noch diese eine Nacht …
Es wird nicht passieren. Wir werden nicht heiraten. Wir haben nichts gemein …
Carlos trieb seinen Hengst an und galoppierte über das weite Land, Meilen entfernt von der Estanzia. Es hatte Zeiten gegeben, da war er unter dem strahlend blauen Himmel hinausgeritten in die Steppe, nur mit dem kraftvollen Fuchs als Gesellschaft, und hatte sich vom Wind den Kopf klären lassen. Und wenn er dann nach El Cielo zurückgekehrt war, dann war er mit sich und der Welt im Reinen gewesen.
Schon als Kind war es für ihn ein Weg gewesen, Probleme in den Griff zu bekommen, damals noch auf einem kleinen Pony – ein Geschenk seines Großvaters. Damals, als er noch glaubte, dass Javier sein Großvater wäre. An dem Tag, als die Nachricht vom Tod seines Vater kam, war er Meile um Meile geritten und erst zum Haus zurückgekehrt, als er sich kaum noch im Sattel halten konnte. Und dann noch einmal – es war sein zehnten Geburtstag und er erhielt einen Brief seiner Mutter mit der Mitteilung, dass sie wieder geheiratet hatte und ihr neuer Mann nicht mit ihrem Sohn unter einem Dach leben wollte.
Irgendwann hatte er sich daran gewöhnt, allein zu sein. Sein Großvater und er kamen relativ gut miteinander zurecht, auch wenn es dem Alten schwerfiel, Zuneigung oder menschliche Wärme zu zeigen. Aber die Pferdezucht und die Liebe für die Tiere schufen ein Band zwischen ihnen. Und El Cielo war das einzige Heim, das Carlos kannte, es war die Verbindung zu seinem Vater.
Bis er herausfand, dass sein Vater gar nicht sein Vater war. Mit einem Schlag hatte er alles verloren – Heim, Familie und seine Identität. Er hatte keine Ahnung mehr, wer er war.
Hätte ich nicht deinen Pass gefunden, hätte ich nie erfahren, wer du in Wirklichkeit bist. Aber genau das wolltest du ja auch, oder?
Er konnte Marthas Vorwurf wieder hören. Wer also war er? Und was hätte er ihr sagen können, wenn er es selbst nicht wusste? War das nicht auch der Grund, weshalb er auf Javiers Ruf reagiert hatte und hergekommen war? Er war naiv genug gewesen,
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