Julia Extra Band 356 - Ebook
Doch er verließ Kiryl nicht ohne eine letzte Warnung: „Hören Sie auf meinen Rat und ziehen Sie Ihr Angebot zurück. Dann verlieren Sie wenigstens nicht das Gesicht und vermeiden eine öffentliche Demütigung.“
Das Angebot zurückziehen? Jetzt, da er kurz davor stand, das Versprechen einzulösen, dass er sich selbst vor so langer Zeit gegeben hatte? Niemals!
Konnte sie es wirklich riskieren, die Teetasse zum Mund zu führen? Was, wenn sie den Tee verschüttete? Noch immer war Alena innerlich völlig aufgewühlt, wenn sie an den Blick seiner grünen Augen dachte. Erschrocken wurde ihr klar, dass ihre Wangen vor Aufregung glühten. Sie durfte seinen Blick auf gar keinen Fall erneut erwidern. Mit solch geballter männlicher Energie konnte sie nämlich einfach nicht umgehen.
Dennoch fühlte sie sich geradezu magisch von ihm angezogen. Ihr Puls raste, und ihre Kehle war trocken. Langsam wandte sie den Kopf und musste zu ihrer Bestürzung feststellen, dass er nicht mehr im Raum war und sie nicht mehr die Chance hatte … ja, was eigentlich? Diesen Blickkontakt zu verlängern, der ihr das Gefühl gab, innerlich dahinzuschmelzen.
In diesem Augenblick sah sie etwas auf dem Boden liegen. Einen goldenen Kugelschreiber. Bestimmt gehörte er ihm. Er musste ihn verloren haben. Sie hob ihn auf, sah sich suchend um und erblickte schließlich den Mann. Er stand bereits am Ausgang. Neben ihm der seriöse Typ, mit dem er sich zuvor unterhalten hatte. Ohne nachzudenken, eilte Alena auf die beiden zu.
Kiryl hörte das Klappern der Absätze und drehte sich um. Außer Atem streckte die unbekannte Frau ihm einen Kugelschreiber entgegen.
„Ich glaube, das hier haben Sie verloren.“
Ihre Stimme war sanft wie eine Frühlingsbrise. Kiryl sah sofort, dass der Kugelschreiber nicht ihm gehörte, aber er nahm ihn trotzdem entgegen. Prüfend sah er sie an. Sie wirkte wie eine Frau, die mehr zu bieten hatte als Jugend und gute Gene. Ihre natürliche Schönheit wurde durch ihr dezentes Make-up und die geschmackvolle Kleidung noch unterstrichen. Sie musste aus einem begüterten Haus stammen.
Es passte Kiryl ganz und gar nicht, dass sie einen so starken Eindruck auf ihn machte. Spöttisch erwiderte er: „Und natürlich haben Sie sofort die Gelegenheit ergriffen, ihn mir wiederzugeben, richtig? Glauben Sie, Ihr Interesse an mir ist mir nicht aufgefallen? Wissen Sie nicht, dass es eigentlich Aufgabe des Mannes ist, seine Beute zu jagen, und nicht die der Frau?“
Alena errötete bis unter die Haarspitzen. Ja, diesen Spott hatte sie verdient, das hätte ihr Bruder Vasilii bestimmt auch so gesehen. Trotzdem war sie nicht darauf vorbereitet gewesen und fühlte sich verletzt.
Kiryl merkte, wie sehr sie mit sich kämpfte, um sich nicht von der Demütigung überwältigen zu lassen. Bestürzt biss sie sich auf die Unterlippe, und er musste daran denken, wie es sich wohl anfühlte, diese vollen Lippen zu küssen.
„Bitte entschuldigen Sie. Das war wirklich nicht sehr nett von mir“, räumte er ein.
Seine Entschuldigung war natürlich nicht ernst gemeint. Er hatte weder die Zeit noch den Wunsch, sich mit dem fragilen Ego einer jungen Frau zu befassen, egal wie begehrenswert sie ihm erschien. Dafür kannte er sich zu gut – sich und die Abgründe, die in ihm schlummerten. Manch einer hätte gesagt, dass diese Abgründe ihren Ursprung in seiner Kindheit hatten. Aber Kiryl hatte keine Lust, sich an jene Zeit zu erinnern, in der er so verletzlich gewesen war. Stattdessen zog er es vor, in der Gegenwart zu leben. Und im Augenblick kam es nur darauf an, sich diesen Auftrag zu sichern. Die junge Frau war dabei nur eine Schachfigur in einem Spiel, in dem es um alles ging. Einem Spiel, das Kiryl unbedingt gewinnen musste.
Alena hingegen wusste nicht, womit sie diese harsche Abfuhr verdient hatte. Sie wich zurück, drehte sich um und ging mit schnellen Schritten zu ihrem Tisch zurück.
Sie bat den Kellner um die Rechnung. Wie peinlich das Ganze war! Sie hatte sich vor diesem Fremden völlig lächerlich gemacht. Nur gut, dass Vasilii das nicht mitbekommen hatte. Alena schossen Tränen in die Augen.
Mit zwiespältigen Gefühlen beobachtete Kiryl ihren überstürzten Aufbruch und verspürte dabei ein leichtes Bedauern, das er sich nicht erklären konnte. Außerdem fiel ihm erneut die Anmut auf, mit der die Frau sich bewegte, registrierte ihr langes blondes Haar und ihre schlanke, aber äußerst feminine Figur.
Eigentlich war sie durchaus sein Typ,
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