Julia Extra Band 356 - Ebook
Dekolleté verbargen, hätten bei ihm eigentlich nicht das Verlangen auslösen dürfen, sie aufzureißen, um die nackte Haut darunter zu berühren. Doch sie taten es. Ihre diamantenen Ohrringe, die seiner Ansicht nach echt waren, mussten ein Vermögen gekostet haben. Er wusste das, denn seine letzte Gespielin hatte versucht, ihm ein solches Schmuckstück zu entlocken, bevor er entschied, sich von ihr zu trennen.
Kiryl betrachtete noch geistesabwesend die Ohrringe der Unbekannten, da hob sie den Kopf und sah ihn geradewegs an. Für einen Augenblick wich die Farbe aus ihrem Gesicht, dann kam sie zurück, und die silbergrauen Augen hinter den dunklen Wimpern glänzten plötzlich nicht mehr wie ein zugefrorener Fluss, sondern glühten wie heiße Lava. Überraschenderweise reagierte sein Körper auf diesen rasanten Wechsel von einem eiskalten St. Petersburg hin zu einer sommerlich heißen russischen Steppe mit all der Leidenschaft, die sein Vaterland stets in ihm ausgelöst hatte. Diese Frau verkörperte alles, was er je mit seiner Herkunft verbunden hatte. Er spürte, wie sich das Verlangen in ihm regte, ein solches Juwel in Besitz zu nehmen und mit niemand anderem zu teilen. Die Unbekannte erregte ihn so über alle Maßen, dass es um mehr gehen musste als allein um seine alte Sehnsucht, an sein russisches Erbe anzuknüpfen.
„Und wie ich Ihnen bereits sagte, gibt es nur einen Konkurrenten, der Ihnen im Wege steht, den Auftrag zu bekommen. Er heißt Vasilii Demidov.“
Kiryl zuckte zusammen und wandte seine Aufmerksamkeit wieder dem Agenten zu, der ihm helfen sollte, den für seine Geschäfte so wichtigen Auftrag zu bekommen. Die Tatsache, dass einer von Russland reichsten Männern sich ebenfalls darum bemühte, konnte Kiryl nicht abschrecken. Im Gegenteil – seine Entschlossenheit, diesen entscheidenden Auftrag zu erringen, war dadurch nur noch größer geworden.
„Bisher hat Demidov noch nie Interesse an der Schiffsindustrie gezeigt. Auch in das Containerwesen hat er bislang nicht investiert. Ihm gehört lediglich der Hafen und alles, was damit zusammenhängt. Deshalb kann ich mir auch nicht vorstellen, dass er sich groß um diesen Auftrag bemühen wird.“
„Nun, das ist schon richtig, aber er ist gerade dabei, einen großen Deal mit den Chinesen abzuschließen. Man hat ihm eine Mehrheitsbeteiligung an einer Containerreederei angeboten. Und Sie dürfen auch nicht vergessen, dass er Sie jederzeit im Preis unterbieten kann, selbst wenn ihm das vorübergehend Verluste einträgt. Schließlich verfügt er über enorme finanzielle Reserven. Ich weiß aus sicheren Quellen, dass es zurzeit nur zwei Kandidaten gibt, die sich um diesen Auftrag bemühen – er und Sie. Und ich denke, Sie können sich vorstellen, wer von Ihnen die besseren Karten hat. Tut mir leid, aber ich fürchte, Sie haben keine Chance.“
Kiryl sah den Agenten nachdenklich an. „Ich weigere mich, das zu akzeptieren.“
Er war fest entschlossen, diesen Auftrag zu bekommen. Es war der letzte Mosaikstein in seinem Geschäftsimperium, der ihm noch fehlte. Sollte er den bekommen, wäre er endlich Marktführer auf diesem Gebiet. Niemand würde das verhindern können – niemand . Dafür hatte er zu lange und zu hart an diesem Ziel gearbeitet.
Ganz unvermittelt stieg vor seinem inneren Auge das Bild seines Vaters auf, der streng und abweisend auf ihn, den kleinen Kiryl, herabblickte. Der Vater, der ihm nicht nur das Recht genommen hatte, seinen Namen zu tragen, sondern auch das Recht auf seine russische Identität.
„Dann können Sie nur noch auf ein Wunder hoffen“, bemerkte der Agent.
Kiryl verbarg seine Gefühle und erwiderte kühl: „Ich brauche kein Wunder. Bestimmt gibt es irgendeinen Weg, ihn zur Strecke zu bringen. Ein Mann wie er macht sein Vermögen nicht, ohne ein paar Leichen im Keller zu haben.“
Der Agent nickte, fügte aber warnend hinzu: „Sie sind nicht der Erste, der nach Schwachpunkten in Demidovs Leben sucht. Aber es scheint keine zu geben. Ob Sie es glauben oder nicht, der Mann ist unangreifbar.“
Kiryls Mund wurde zu einem dünnen Strich. „Er hat eine beeindruckende Karriere hingelegt, das gebe ich zu. Aber niemand ist unangreifbar. Irgendeine Schwäche hat er bestimmt, und ich verspreche Ihnen, dass ich sie finden werde.“
Der Agent erwiderte nichts. Es wäre ihm nicht im Traum eingefallen, Kiryl zu widersprechen. Dafür war dieser viel zu mächtig und zu sehr daran gewöhnt, dass man seinen Befehlen nachkam.
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