Julia Extra Band 356 - Ebook
feinsten Spitze, die sie je gesehen hatte. Die Schleppe war mit Pailletten besetzt und schimmerte verführerisch. Es war genau die Art von Hochzeitskleid, die Alena gern für Kiryl getragen hätte, wäre er der Mann, für den sie ihn ursprünglich gehalten hatte.
Der Anblick dieses so perfekten Entwurfs verstärkte ihren Schmerz nur noch mehr. Plötzlich konnte sie das Ausmaß ihrer Enttäuschung nicht mehr ertragen, und es war ihr egal, was sie an diesem Tag der Schande tragen würde.
Abrupt erhob sie sich. Sofort war die Verkäuferin an ihrer Seite.
„Es tut mir leid, aber ich muss jetzt gehen“, verkündete Alena.
„Aber Sie haben ja noch gar kein Kleid ausgesucht.“
„Wählen Sie etwas für mich aus. Ich kann es nicht.“
„Aber Sie sollten es doch wenigstens anprobieren!“
Alena schüttelte den Kopf. „Nein. Suchen Sie einfach eins aus und schicken Sie es ins Hotel. Wenn es nicht passt, werden wir es eben ändern lassen.“
Die gute Frau hatten ihre Maße, das musste genügen. Auf keinen Fall wollte Alena sich jetzt im Spiegel in einem Kleid für eine Hochzeit sehen, die ihr ein Gräuel war.
Die Vorbereitungen für das Fest waren inzwischen fast abgeschlossen. Wenige Stunden nach Abschluss der Vereinbarung war Kiryls und Alenas Verlobung schon öffentlich bekannt gegeben worden. Inzwischen war es Juni, und in drei Wochen sollte die Hochzeit stattfinden. Alena hatte sich strikt geweigert, irgendetwas mit der Planung zu tun zu haben, und alles den beiden Männern überlassen. Die standesamtliche Trauung würde in St. Petersburg stattfinden, mit anschließender großer Party.
Für Alena war es der Gipfel der Heuchelei. Dass man sie dazu zwang, den ultimativen Verrat an ihren Idealen auch noch zu feiern, ging über ihre Kräfte.
Der einzige Trost, den sie in der ganzen Zeit gefunden hatte, bestand in ihrer Arbeit für die Stiftung. Vasilii war zunächst dagegen gewesen, aber zu Alenas Überraschung hatte Kiryl sich an diesem Punkt für sie eingesetzt.
„Ich würde es vorziehen, dass Alena weiter dieser Arbeit nachgeht – wenn Sie einverstanden sind“, hatte er mit unbeweglicher Miene zu ihrem Halbbruder gesagt. „Dann hat sie etwas zu tun, wenn ich geschäftlich unterwegs bin.“
Alena war kurz versucht zu sagen, dass sie ihre Meinung geändert hatte. Denn sie hatte das Gefühl, als würde er allein durch Kiryls Äußerung ihre Arbeit beschmutzen, genau, wie er vorher ihre Liebe beschmutzt hatte. Am Ende siegte jedoch ihre Vernunft, und sie rief sich wieder ins Gedächtnis, dass die Stiftung schließlich ihr Rettungsweg in ein selbstbestimmtes Leben sein würde. Sie biss sich also auf die Zunge, und schließlich gab Vasilii grünes Licht.
Nachdem sie den Morgen damit verbracht hatte, sich Hochzeitskleider anzuschauen, die sie nicht tragen würde, hatte Alena noch weniger Lust, sich das Stadthaus im exklusiven Londoner Viertel Knightsbridge anzuschauen, das Kiryl für sie mieten wollte. Alena war es ganz egal, wo sie wohnen würden. Sie interessierte nur, wie sie ihre Selbstachtung zurückgewinnen konnte – was nicht passieren würde, solange sie mit Kiryl verheiratet war. Kiryl allerdings hatte darauf bestanden, dass sie sich das Haus anschaute, und Vasilii hatte ihn darin unterstützt.
Bevor sie die Wahrheit über Kiryl erfahren hatte, hätte sie der Gedanke, mit ihm zusammenzuwohnen, in Aufregung versetzt, ganz egal, um welche Art von Haus es sich gehandelt hätte. Sie fuhr mit dem Taxi zu der Adresse, die Kiryl ihr gegeben hatte. Es handelte sich um ein Haus im georgianischen Stil mit einem schönen Garten und befand sich an einem hübschen Platz mit vielen Bäumen.
Alena stieg die Eingangstreppe hinauf und klingelte an der glänzenden, schwarz gestrichenen Tür. Eigentlich hatte sie den Makler erwartet, doch zu ihrer Bestürzung war es Kiryl, der ihr die Tür öffnete.
Automatisch trat sie einen Schritt zurück und zuckte zusammen, als er seine Hand nach ihr ausstreckte und sie ins Innere des Hauses zog. Die Wände der kleinen Eingangshalle waren weiß gestrichen, eine schmiedeeiserne Wendeltreppe führte hinauf in den ersten Stock.
„Warum bist du hier?“ Alena befreite sich aus seinem Griff. „Es ist niemand da, dem wir etwas vorspielen müssen!“
„Vielleicht bin ich nur gekommen, um dich zu fragen, ob dir das Haus gefällt. Ich schlage vor, dass wir oben anfangen und uns dann Stock für Stock nach unten vorarbeiten. Wenn du irgendetwas verändern möchtest, sag es mir
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