Julia Extra Band 356 - Ebook
Belieben kaufen und verkaufen könnt.“
Sie hielt es nicht länger aus. Ohne ein weiteres Wort drehte sie sich auf dem Absatz um und flüchtete in ihr Schlafzimmer. Aber sie machte sich nichts vor, ihr würde nichts anderes übrig bleiben, als sich in die Situation zu fügen. Sie hatte gar keine andere Wahl, denn sie war finanziell vollständig abhängig von Vasilii. Sie hatte nur wenig Bargeld auf dem Konto und besaß nichts als ihre Kleider. Sie hatte keine anständige Ausbildung genossen, hatte keine anerkannten Qualifikationen – wie sollte sie da ihr eigenes Geld verdienen? Außerdem kannte sie ihren Halbbruder. Wenn er erst einmal eine Entscheidung getroffen hatte, konnte ihn nichts auf der Welt mehr davon abbringen. Es gab nur einen winzigen Hoffnungsschimmer: Sie würde nicht ewig in dieser Hölle schmoren müssen.
Alena trat ans Fenster. Die beiden Männer, denen sie ihre Liebe und ihr uneingeschränktes Vertrauen geschenkt hatte, hatten sie beide kaltherzig verraten. Aber vielleicht hatte sie es ja auch nicht anders verdient. Offensichtlich war sie nicht wert, geliebt zu werden. Alle wollten sie nur benutzen. Doch das würde sich ändern.
Während sie auf die windumtosten Dächer Londons hinuntersah, fasste sie einen Entschluss: Gut, sie würde sich in diese Hochzeit fügen müssen, aber hoffentlich würde ihre Strafe nicht allzu lange dauern. Irgendwann würde sie wieder frei sein, und wie der berühmte Phönix aus der Asche aufsteigen – als eine stärkere, reifere Version ihrer selbst, die sich keinen Illusionen mehr hingab. Sie würde endlich in der Lage sein, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen. Nie wieder würde sie einem Mann erlauben, sie so zu verletzen, wie Kiryl es getan hatte. Sie würde die Zeit, die sie in dieser Zwangsehe verbringen musste, nutzen, um in sich zu gehen und Pläne für eine neue, selbstbestimmte Zukunft zu schmieden. Und diese Zukunft würde mit der Stiftung ihrer Mutter zu tun haben. Sie würde ihre Arbeit zum Mittelpunkt ihres Lebens machen.
Plötzlich war sie von neuem Mut und neuer Stärke erfüllt. Ja, das war der Preis, der ihr am Ende winkte, wenn sie durchhielt: die Position als Vorsitzende der Stiftung. Kiryl und Vasilii würden lernen müssen, dass sie nicht die Einzigen waren, die Bedingungen stellen und anderen ihren Willen aufzwingen konnten.
Kiryl. Der Schmerz, den sie bislang zurückgehalten hatte, überfiel sie jetzt mit erneuter Macht. Wie ein vergifteter Dolch schnitt er ihr mitten ins Herz. Aber Alena war entschlossen, sich nicht von ihm überwältigen zu lassen. Sie musste stark sein, musste das Leid aushalten. Denn nur so würde sie das alles überstehen.
10. KAPITEL
Hochzeitskleider. Alena gab sich die allergrößte Mühe, sie zu ignorieren. Aber wie sollte ihr das gelingen, wenn sie von ihnen umgeben war? Sie saß im Salon eines exklusiven Modedesigners und ließ sich von Models die neuesten Entwürfe zeigen. Natürlich war es Vasilii gewesen, der diesen Termin für sie vereinbart hatte. Ihr persönlich war es völlig egal, was sie zur Hochzeit mit einem Mann trug, den sie nicht haben wollte und der sie nicht liebte – auch wenn sie das einmal geglaubt hatte. Wenn es nach ihr ging, konnte sie genauso gut Lumpen tragen.
Erneut stieg das Unglück in ihr auf und schnürte ihr den Hals zu. Nein, ihre Traurigkeit hatte nichts mit Kiryl zu tun, der Mann war ihr inzwischen völlig gleichgültig. Wahrscheinlich war es einfach der Anblick all dieser wunderschönen weißen Kleider, die Glück und Hoffnung symbolisierten und mit ihrer persönlichen Realität so gar nichts zu tun hatten.
Als sie den Salon betreten hatte, waren ihr zwei Frauen entgegengekommen. Offensichtlich Mutter und Tochter. Sie hatten sich angelächelt, und es hatte Alena einen Stich ins Herz versetzt. Sie musste an ihre eigene Mutter denken. Ihre geliebte Mutter. Nie im Leben hätte sie es zugelassen, dass man ihre Tochter als Bauernopfer verschacherte. Alena schluckte schwer. Ihr Schmerz ging inzwischen so tief, dass sie nicht einmal mehr weinen konnte.
Aber es half alles nichts. Sie musste diese Farce wohl oder übel mitspielen. Und dazu gehörte nun einmal ein Hochzeitskleid. Das Model, das in diesem Moment vor ihr stand, trug ein so wunderschönes Kleid, dass Alena unwillkürlich den Atem anhielt. Unter normalen Umständen hätte sie sich ganz gewiss dieses Kleid ausgesucht. Es war aus champagnerfarbener Seide und schmal geschnitten. Oberteil und Ärmel waren aus der
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