Julia Extra Band 358
zurückzukehren, passte nicht zu seinem Selbstbild.
Schnell bückte er sich, suchte unter den verstreuten Kleidungsstücken nach seinem Handy und telefonierte kurz.
„Ich habe uns in der Palastküche ein Frühstück bestellt, es wird allerdings eine Weile dauern, bis es hier ist.“
„Ich habe nur auf eines Hunger, Lysander.“
„Dann geht es dir wie mir.“ Er zog sie zu sich hoch. „Lass uns in das Wäldchen gehen, dort sind wir ungestört.“
Es dauerte lange, bis Alyssa und Lysander Hand in Hand zur Burg zurückkehrten. Der Tisch war frisch gedeckt worden, saubere Garderobe lag ordentlich gefaltet für beide zur Auswahl auf einer Bank.
„Nach dem Frühstück zeige ich dir das Bad“, versprach Lysander. „Es wird von einer warmen Quelle gespeist und ist der einzige Luxus, den ich dir hier zu bieten habe.“
„Nein, der größte Luxus für mich bist du, Lysander.“ Alyssa errötete. „Es tut mir leid, dass ich gestern die Nerven verloren habe und so unbeherrscht weinen musste.“
„Es waren ungewöhnliche Umstände, zerbrich dir nicht den Kopf darüber. Du wirst über deinen Schmerz hinwegkommen. Das Leben geht weiter“, blockte er jede weitere Diskussion ab.
„Ja.“ Alyssa senkte den Kopf.
Lysander fühlte sich nicht wohl in seiner Haut. Liebevoll half er Alyssa in einen Bademantel, nahm sich dann auch einen und setzte sich an den Tisch. Blicklos starrte er auf die ausgebreiteten Köstlichkeiten.
„Zum ersten Mal in meinem Leben beneide ich meinen Bruder Akil“, meinte er unvermittelt. „Was Frauen anging, war er viel einfühlsamer – bis er kuriert wurde.“
„Kuriert?“ Verständnislos sah Alyssa ihn an.
„Durch seine Ehe“, erklärte er.
„Aha.“ Sie versuchte, über den Witz zu lachen, und schenkte ihm eine Tasse Kaffee ein. In der vergangenen Nacht waren all ihre Träume wahr geworden, doch dank Jerry hatte sie ihre Lektion gelernt. Glück war von kurzer Dauer, es würde die gestohlenen Stunden im Palais der Königin nicht überdauern. Damit hatte sie sich abzufinden.
Lysander tat sich mehrere Zuckerstückchen in den Kaffee und rührte. Eine Zeit lang war nichts weiter als dieses Geräusch zu hören. Alyssa war entschlossen, keine Fragen zu stellen. Wenn Lysander nicht von sich aus reden wollte, würde sie ihn nicht dazu drängen.
„Du interessierst dich offensichtlich nicht für meine Familiengeschichte“, stellte er schließlich fest.
„Wie ich dir bereits sagte, fehlte mir bisher die Gelegenheit, online zu recherchieren, Lysander. Nachdem du mich über das Schicksal deiner Mutter aufgeklärt hast, bin ich mir auch nicht mehr sicher, ob ich mich wirklich ausführlich über deine Familie informieren möchte. Ich muss nur die Dinge überblicken, die für Ra’id von Bedeutung sind.“
Sie spürte, wie er sie musterte, und hielt die Augen gesenkt.
„Ich verstehe“, erwiderte er gepresst und äußerte dann etwas auf Rosari, das in ihren Ohren wie ein Fluch klang.
„Immerhin weiß ich jetzt, dass Ra’id als Thronfolger nicht unumstritten ist – solche Kenntnisse sind natürlich wichtig für mich“, meinte sie vorsichtig.
„Geschichte hat die Tendenz, sich zu wiederholen, und genau das möchte ich verhindern, indem ich mit den alten Fehlern radikal breche. Die Zeiten ändern sich, die Natur des Menschen nicht. Meine Mutter musste sterben, weil Liebe für sie das Wichtigste im Leben war.“ Er lächelte bitter. „Sie mag Unrecht begangen haben, doch das Urteil war grausam, und dagegen lehnten sich die Rosarier auf. Auch mein Vater wollte die überlieferten barbarischen Bräuche reformieren. Er erlaubte Akil sogar, aus Liebe zu heiraten, anstatt ihm eine Braut auszusuchen, wie es bis dahin üblich gewesen war. Fatal war allerdings, dass diese nach modernen Prinzipien geschlossene Ehe auch nicht besser lief als die arrangierten Verheiratungen unserer Vorväter.“
Lysander schüttelte sich. „Auch Akil setzte als König auf Reformen. Jetzt ist es an mir, den für Rosara richtigen Weg zu finden, anstatt mich meines Lebens zu freuen und mich zu amüsieren, wie ich es bisher getan habe. Die Vormundschaft für Ra’id auszuüben ist wirklich kein Kinderspiel. Ich muss für seine Erziehung sorgen, das Land regieren und die Thronfolge sichern, damit sie nicht allein von ihm abhängt.“
Alyssa seufzte. „Wenn er Geschwister hätte, wäre alles einfacher.“
„Die Ehe seiner Eltern war schon zerbrochen, bevor er überhaupt geboren wurde. Obwohl Akil nach
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