Julia Extra Band 358
gehabt.
Alyssa blickte zu dem Rosenstrauch, in dem die Nachtigall sang.
„Das weiß ich jetzt auch. Ich habe meine Lektion gelernt, und wenn es mir das nächste Mal passiert, bin ich wenigstens … vorbereitet …“ Ihre Stimme versagte, und ihre Selbstbeherrschung fiel in sich zusammen wie ein Kartenhaus. Trauer und Schmerz überwältigten sie.
Alles verlief anders, als Lysander es geplant hatte. Das Essen bei Kerzenschein war als romantischer Auftakt gedacht gewesen. Anstatt in Tränen aufgelöst zu sein, hätte Alyssa ihm hingebungsvoll an die Brust sinken sollen. Jetzt blieb ihm nur die Möglichkeit, sie in die Arme zu ziehen, ihren Kopf an seiner Schulter zu betten und sie ungehemmt weinen zu lassen.
„Aber es gibt ein nächstes Mal“, meinte er leise. „Daran glaubst du doch, oder?“
Alyssa nickte, was er als Aufforderung interpretierte, sie noch fester an sich zu ziehen.
Alyssa ließ ihren Tränen freien Lauf, bis sie vom Weinen so erschöpft war, dass sie nur noch schluchzen konnte. Lysander versuchte nicht, sie mit Worten zu trösten. Als sei sie ein kleines Kind, wiegte er sie einfach in seinen Armen und streichelte ihr übers Haar. Es war genau das, was Alyssa brauchte.
Sie schloss die Augen und genoss die Wärme der körperlichen Nähe. Sie wollte noch nicht reden, die Entschuldigung für ihren Zusammenbruch würde sie auf später verschieben.
Auch Lysander machte keinerlei Anstalten, sich von ihr zu lösen, ganz im Gegenteil. Er senkte den Kopf, bis seine Stirn die ihre berührte, legte ihr die Hände auf die Hüften und zog sie noch enger an sich.
Langsam beruhigte sich Alyssa wieder, ihr Atem wurde regelmäßiger und ihre Gedanken klarer. War es überhaupt richtig, was sie tat?
Lysander behandelte sie, wie Jerry sie nie behandelt hatte – Lysander benahm sich wie ein wirklicher Freund. Das gab ihr ein Gefühl der Geborgenheit, wie sie es noch nie erlebt hatte. Sie war glücklich und verängstigt zugleich.
„Es tut mir leid“, brachte sie schließlich über die Lippen.
„Weshalb? Jetzt weiß ich wenigstens, dass du auch nur ein Mensch bist. Bisher habe ich dich eher für ein überirdisches Wesen gehalten, so mutig, gut und klug bist du stets gewesen.“
„Das ist ein hübsches Kompliment. Vielen Dank, Lysander.“
„Gern geschehen.“ Er lachte leise.
Alyssa wusste, gab sie Lysander jetzt nach, wäre es um ihre innere Freiheit geschehen. Wenn sie jetzt ihren Wünschen und Sehnsüchten folgte, anstatt sie zu verdrängen, würde das Unausweichliche geschehen. Sie würde sich Lysander ausliefern, und er hätte ihr Schicksal in der Hand.
Er ist und bleibt ein Frauenheld, sagte sie sich immer wieder, um nicht unter seinen zärtlichen Berührungen dahinzuschmelzen.
Nachdem sie Jerrys Verrat nun endlich verarbeitet hatte, wollte sie sich nicht gleich in das nächste Abenteuer stürzen. Sie sehnte sich nach Lysander, das gab sie sich selbst gegenüber ehrlich zu, aber sie wollte mehr, als nur das Bett mit ihm zu teilen.
Was sie sich von Jerry gewünscht hatte, war über verschwommene Vorstellungen von einer Hochzeit in Weiß und niedlichen Babys nicht hinausgekommen. Bei Lysander war das anders.
Für ihn verspürte sie eine heiße Leidenschaft, die sie zu einer anderen Frau werden ließ. Sie wollte ihn ganz, mit Leib und Seele, oder gar nicht. Wenn er ihr nur seinen Körper schenken wollte, musste sie der Versuchung widerstehen, was immer sie das auch kosten mochte.
Wie viel war Lysander bereit zu geben?
Sanft schob sie ihn von sich. „Das war für mich eine Premiere.“ Sie lachte leise. „Im Garten einer Königin bin ich von einem Prinzen geküsst worden.“
Widerstandslos gab Lysander sie frei, blickte ihr dabei jedoch tief in die Augen. „Auch für mich war das eine Premiere. Bisher habe ich Frauen nur geküsst, weil ich bestimmte Absichten hatte.“
Alyssas Herz klopfte aufgeregt. Sie schluckte. „Du wolltest mich trösten, das war doch auch eine Absicht.“
„Ja, und das ist Grund genug, die Nacht zusammen zu verbringen.“
Stürmisch riss er sie an sich und küsste sie, bis Alyssa die Sinne schwanden.
8. KAPITEL
Alyssa gab es auf, länger gegen ihre Gefühle zu kämpfen. Als Lysander den Kopf hob und sie ansah, war sie zu nichts weiter fähig, als seinen Blick stumm zu erwidern. Ihr Atem ging stoßweise, und sie fand keine Worte, um ihre Gefühle zu beschreiben.
Als er wieder ihre Lippen suchte, dachte sie nicht mehr an Widerstand, sondern drängte sich dicht
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