Julia Extra Band 358
einzig und allein deine Pflicht als König von Rosara.“
„Sosehr ich mich auch um diese Haltung bemühe, in deiner Gegenwart ist mir das manchmal unmöglich.“ Er betrachtete sie voller Verlangen, senkte dann jedoch den Blick.
„Ich habe den festen Vorsatz, mein Leben ausschließlich Rosara zu widmen – trotzdem möchte ich dir etwas zeigen.“
Er streckte den Arm aus, und Alyssa ergriff erwartungsvoll seine Hand. Bei der Berührung schauderte sie so stark, dass er es spüren musste.
„Von hier oben aus betrachtet ist nicht nur der Vollmond, sondern auch der Sonnenaufgang ein unvergleichliches Naturschauspiel“, sagte er, nachdem er sie auf die Wehrmauer geführt hatte. Eng beieinander, um sich vor dem kalten Wüstenwind zu schützen, standen sie an der Brüstung und blickten zum Horizont.
Während unten im alten Rosenstrauch noch die Nachtigall sang, färbte sich der Himmel im Osten schon rötlich. Alyssa genoss Lysanders Nähe. War eine Frau von einem Mann je so behütet und verehrt worden?
Sie spürte seinen Kuss auf ihrem Haar und blickte träumerisch in die Ferne. Wenn dieses Glück nur ewig dauern würde!
Doch die Wirklichkeit holte sie unsanft wieder ein. Ein schriller Ton bereitete dem Frieden ein jähes Ende. Während sich Alyssa noch fragte, woher er wohl kommen mochte, hatte Lysander das Geräusch bereits erkannt – eine Autohupe. Er schob Alyssa etwas von sich und blickte mit zusammengekniffenen Augen zur Piste.
Wirklich, ein Jeep raste in halsbrecherischem Tempo auf die Burg zu.
Lysander lief zur Treppe und eilte, mehrere Stufen auf einmal nehmend, hinunter. Alyssa folgte ihm auf den Fersen. „Was hat das zu bedeuten?“, fragte sie atemlos.
„Das ist für mich. Bestimmt eine wichtige Nachricht aus dem Palast.“
Lysanders knapper geschäftsmäßiger Ton verletzte Alyssa, und sie blieb abrupt stehen. Er merkte es nicht einmal und hastete weiter – er musste in Gedanken ganz bei seinen Pflichten sein. Das allerdings verstand Alyssa, und sie verzieh ihm sofort. Erneut lief sie ihm hinterher.
„Was kann ich tun?“, rief sie, doch Lysander antwortete nicht.
Er stürzte auf den Jeep zu, der mit quietschenden Bremsen im Burghof zum Stehen kam. Der Fahrer stieg aus und unterhielt sich mit Lysander aufgeregt auf Rosari.
Aus Gestik und Mimik schloss Alyssa, dass der Palastbeamte der Überbringer einer schlechten Nachricht war.
Der Fahrer stieg wieder ein, wendete den Wagen und entfernte sich mit der gleichen hohen Geschwindigkeit, mit der er auch gekommen war.
Fragend blickte Alyssa zu Lysander, doch er blieb ihr die Erklärung schuldig.
„Es tut mir leid“, meinte er schließlich.
„Du musst gehen“, sagte sie und ihre Stimme klang plötzlich ganz fremd.
„Ja.“
„Kommst du zurück zu mir?“
Lysander sah sie an, als hätte er kein Wort verstanden und blickte zum Himmel. Dann legte er ihr die Hände auf die Schultern. „Ich muss sofort zurück zum Palast. Wenn es mir möglich ist, melde ich mich später.“
So hell die Sonne mittlerweile auch schien, in Alyssa wurde es dunkel. Sie hatte gewusst, dieses Glück würde nicht ewig währen. Doch so schnell hatte sie mit dem Ende wirklich nicht gerechnet.
Sie blickte an Lysander vorbei. „Erwartest du jetzt von mir, dass ich bis dahin jede Minuten zähle?“
Zärtlich streichelte er ihre Wange, legte ihr die Hand unters Kinn und zwang sie, ihm direkt in die Augen zu sehen.
„Ja.“
9. KAPITEL
Lysanders Stimme klang rau, er beugte sich vor und Alyssas Herz klopfte zum Zerspringen. Sie senkte die Lider und wartete auf seinen Kuss.
Vergeblich.
Enttäuscht öffnete sie die Augen. Lysander ergriff ihre Hand und streifte ihre Finger flüchtig mit den Lippen. Alyssa verstand die Welt nicht mehr. Sie brannte vor Verlangen, und was tat er? Er gab ihr einen Handkuss!
Und dann sein Gesichtsausdruck! Nichts erinnerte mehr an den leidenschaftlichen Liebhaber der vergangenen Nacht. Lysander betrachtete sie freundlich distanziert, ganz der König von Rosara, der einem Untertanen eine Privataudienz gewährte.
„Lysander, geh. Der Zeitpunkt ist gekommen“, sagte sie bedeutungsvoll.
Seine Augen verdunkelten sich, er ließ ihre Hand los und zeichnete mit dem Finger zärtlich die Konturen ihrer Lippen nach. Er schien genau zu wissen, wie es in ihr aussah. Sie musste sich beherrschen, um diese Zärtlichkeit nicht zu erwidern. Von Sekunde zu Sekunde wuchs ihr Wunsch, sich in seine Arme zu flüchten. Mühsam rang sie nach
Weitere Kostenlose Bücher