Julia Extra Band 358
sowieso nie geschehen würden.
Mit klopfendem Herzen gesellte sie sich zu ihm ins Wohnzimmer der Suite und blieb zuerst von ihm abgewandt, damit der sehnsuchtsvolle Ausdruck in ihren Augen sie nicht entlarven konnte. Es war nicht fair, dass sich längst vergangene Teenagerträume in die Gegenwart stahlen und Laura nun das Leben schwer machten. Sie musste sich endlich voll und ganz auf ihre Rolle als Assistentin konzentrieren und die unangebrachten Gefühle auf ein Abstellgleis verbannen!
Vasilii seinerseits konnte auf keinen guten Tag zurückblicken. Gang Li hatte sowohl das Meeting als auch das anschließende Mittagessen mit Wei Wong Zhang abgesagt. Ein sicheres Zeichen dafür, dass Gang Li ihn abstrafen wollte, weil er ihm Laura nicht überließ.
Als Laura sich jetzt zu ihm umdrehte, mit einem geheimnisvollen Glitzern in den Augen, flammte in Vasilii erneut Wut über die zwiespältigen Gefühle auf, die diese Frau in ihm entfachte.
„Sie erraten nie, was Wu Ying mir anvertraut hat“, begann sie ohne eine Begrüßung.
„Es gibt da etwas, über das ich mit Ihnen reden muss“, entgegnete er ohne Umschweife.
Ich habe irgendetwas falsch gemacht, schoss es ihr durch den Kopf. Und so versteinert, wie er wirkte, musste es etwas richtig Schlimmes sein!
Ihr Herz pochte schneller in Erwartung dessen, was Vasilii ihr an den Kopf werfen würde. Spontan versuchte sie, seine Aufmerksamkeit wenigstens etwas zu zerstreuen. „Wie ist denn Ihr Essen mit Wei Wong Zhang gelaufen?“
„Es hat gar nicht stattgefunden. Gang Li hat das Meeting abgesagt, und gleich danach machte auch sein Onkel einen Rückzieher.“ Sein Tonfall war nun noch eine Spur schärfer als davor.
„Wieso ist denn alles geplatzt?“ War sie etwa schuld daran?
„Gang Li hat mir heute Morgen seinen Sekretär vorbeigeschickt. Er sollte mir die Bedingungen unterbreiten, die einer Zusammenarbeit zugrunde liegen. Werden sie nicht erfüllt, wird er seinem Onkel raten, dem Vertrag nicht zuzustimmen. Es scheint, als wären wir bereits Wei Wong Zhangs Favoriten, aber er setzt auf die Bestätigung durch seinen Neffen.“
„Gang Li hat einen Boten mit einem Bestechungsvorschlag geschickt?“, fragte sie. Sie hatte die Situation sofort verstanden. Kein Wunder also, dass Vasilii denkbar schlecht gelaunt war. Bestechungsversuche waren bei internationalen Geschäftsabschlüssen nicht unüblich, aber Laura konnte sich kaum vorstellen, was sie mit der Sache zu tun hatte. War er am Ende gar nicht sauer auf sie?
„Genau.“
„Wie viel wollte er denn haben?“
„Es ging nicht um Geld“, erklärte Vasilii. „Es ging um Sie.“
Er konnte beobachten, wie Lauras Gesicht an Farbe verlor. Die Augen wurden groß und verdunkelten sich vor Schreck und Abscheu.
„Um mich? Er will mich ?“ Sie konnte nicht fassen, was sie da hörte. Aber sein ernster Gesichtsausdruck löschte jeden Zweifel aus. „Nein“, sagte sie mit schwacher Stimme und schüttelte den Kopf. Dann wurde ihr Ton wieder fester. „Nein, ganz sicher nicht!“
Vasilii blieb stumm und sah Laura ruhig an.
Was hatte sie von ihm zu erwarten? Laura kannte Vasilii zwar als fürsorglichen Bruder, aber das bedeutete noch lange nicht, dass er sich auch für eine Angestellte mit all seinem männlichen Beschützerinstinkt einsetzte. Und ausgerechnet für sie!
Noch nie hatte ein Mann sie beschützt, nicht einmal John. Ganz einfach weil sie niemals jemandem wichtig genug gewesen war. Mit dieser Gewissheit war sie als Waise aufgewachsen. Aber warum schmerzte es so ganz besonders heftig, dass auch Vasilii nicht zu ihrer Rettung eilen würde? Sie hatte sich doch immer schon selbst verteidigt und würde es auch in diesem Fall tun.
„Mir ist völlig egal, was Sie Gang Li erzählt oder gar versprochen haben“, fuhr sie Vasilii an. „Ich mache das nicht. Sie können mich ja feuern, wenn Ihnen …“
„Sie glauben tatsächlich, ich sei darauf eingegangen? Dass ich es dulden würde, wenn eine meiner Angestellten in dieser Art belästigt wird?“ Er war außer sich. „Halten Sie mich für so einen Arbeitgeber, für so einen Mann? Dann sollte ich mal etwas Grundsätzliches klarstellen: Wer für mich arbeitet, unterliegt meiner persönlichen Verantwortung. Und diese Verantwortung nehme ich äußerst ernst. Gleichzeitig erwarte ich ja auch, dass meine Angestellten meine Firma einwandfrei repräsentieren. Und selbstverständlich habe ich diesem Sekretär unmissverständlich mitgeteilt, dass dieser Vorschlag für uns
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