Julia Extra Band 358
überhaupt nicht infrage kommt.“
Er beschützte sie doch! Jetzt gerade war er zwar richtig sauer auf sie, aber sie stand definitiv unter seinem Schutz. Sie war in Sicherheit, und damit erfüllte sich für sie ein tiefer Wunsch, den sie schon sehr lange hegte. Vasilii befriedigte mit dieser Geste ihre Sehnsucht nach echter Geborgenheit.
Vasilii kam auf sie zu, und Laura wich unwillkürlich ein paar Schritte zurück.
„Vor mir brauchen Sie nicht die Unantastbare zu spielen“, bemerkte er sarkastisch. „Und der panische Ausdruck in Ihren Augen passt eher zu einer Jungfrau, die sich vor ihrem ersten Mal fürchtet, als zu einer aufgeklärten Frau in ihren Zwanzigern. Aber ich kenne die Wahrheit über Sie.“
Leider hatte er ihre Reaktion missverstanden, und Laura konnte die Sache nicht aufklären, ohne all ihre Gefühle zu offenbaren. Er war überzeugt von seiner Einschätzung, obwohl er damit falsch lag. Allmählich fragte Laura sich allerdings, wie gut sie sich eigentlich selbst noch kannte. Seit sie für Vasilii arbeitete, fühlte sie sich wieder stark zu ihm hingezogen, vor allem körperlich. Und sie konnte absolut nichts dagegen unternehmen …
„Um Gang Li ein für alle Mal davon zu überzeugen, dass es keinen Zweck hat, dir weiterhin nachzustellen, musste ich zu einer Notlüge greifen. Seinem Sekretär gegenüber habe ich behauptet, Sie seien bereits mit einem anderen Mann liiert.“
Sein Tonfall verhieß nichts Gutes. Da war etwas im Busch, das ihr nicht gefallen würde, so viel war sicher!
„Mit welchem anderen Mann?“, erkundigte sie sich mit erstickter Stimme.
„Mit mir.“
„Aber das stimmt doch gar nicht“, antwortete sie wie aus der Pistole geschossen. Vasilii als ihr Beschützer und sie als seine Geliebte? Sie beide ein Liebespaar? Absolut unglaubwürdig!
„Für uns beide natürlich nicht“, räumte er ungeduldig ein. „Aber vor Gang Li muss es echt erscheinen, damit er uns das Ganze abnimmt.“
„Ich bin Ihre Assistentin. Wenn die Leute glauben, ich ginge auch mit Ihnen ins Bett, ist mein professioneller Ruf dahin.“
„Da ist eh nicht mehr viel zu retten, nach der Affäre mit Ihrem letzten Boss“, argumentierte er fast gelangweilt. „Keiner von uns hat es auf eine solche Situation angelegt, aber soweit es mich betrifft, ist es der einzig kluge Schachzug, um unser Ziel zu erreichen.“
Im Gegensatz zu Laura hatte Vasilii schon Zeit gehabt, sich mit dieser unerfreulichen Angelegenheit auseinanderzusetzen, und seine erste Wut war verraucht. Und er würde ihr gegenüber sicherlich nicht zugeben, dass sein erster Impuls gewesen war, sie zu beschützen. Er seufzte. „Heute beim Essen wäre es also hilfreich, wenn Sie sich ein wenig mehr so verhalten könnten, als wären Sie meine Geliebte … wegen Gang Li“, erklärte er umständlich.
Ich soll mich wie eine Geliebte verhalten? überlegte Laura. Wieso schlug er ihr nicht vor, dass sie sich beide wie ein Liebespaar benahmen? Wieso sollte nur sie schauspielern?
Sie wollte es nicht tun, aber welche Alternative blieb ihr? Als Vasiliis vermeintliche Geliebte war sie vor den Avancen des Chinesen sicher. Andererseits schütze sie das nicht vor ihrem eigenen Verlangen, ganz im Gegenteil! Zu verlockend war der Gedanke, sich Vasilii nun in aller Unschuld nähern zu können, sogar auf seinen eigenen Wunsch hin.
„In Ordnung“, stimmte sie zu und lächelte in sich hinein.
Erst viel später, als Laura sich für den Galaabend zurechtmachte, wurde ihr klar, dass sie Vasilii nicht alles über ihre Gespräche mit Wu Ying berichtet hatte. Sie musste es ihm unbedingt beim Essen erzählen. Im Augenblick brauchte sie etwas Zeit für sich allein, um das zu ordnen, was heute alles an Informationen auf sie eingeprasselt war. Und vor allem für die schwierige Aufgabe, sich auf ihre neue Rolle in der Öffentlichkeit vorzubereiten. Nämlich die von Vasiliis Bettgefährtin!
Der Gedanke versetzte ihrem Herzen einen heftigen Stoß. Bettgefährtin – das war gleichzeitig unwirklich, verboten und unendlich reizvoll. Dabei war sie noch Jungfrau und hatte keine Ahnung, wie man einen erfahrenen Liebhaber wie Vasilii im Bett zufriedenstellte.
Allerdings würde es ihr ohnehin nichts nützen, die notwendige Erfahrung zu haben. Es würde ihr nur noch schwerer fallen, bei diesem Schauspiel nicht irgendwann tatsächlich …
Das war einfach alles zu viel! In diese Richtung dürfte sie nicht einmal denken. Das gehörte der Vergangenheit an und hatte im Hier
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