Julia Extra Band 358
wehren konnte, die tief in ihm wuchs und wütete. Für den Moment ignorierte er den nervösen jungen Mann, der gespannt auf eine Antwort wartete. Vasilii hatte mit seinen eigenen Empfindungen zu kämpfen. Bestimmt fühlte er sich einfach verantwortlich für seine Angestellte, denn immerhin stand sie gewissermaßen unter seinem Schutz, solange sie hier in seinem Auftrag arbeitete. Gang Lis Anliegen war eine Beleidigung sowohl für Vasilii als auch für Laura. Und er wusste bereits, wie Laura über den zudringlichen Zeitgenossen dachte. Im Geiste sah er noch ihren angewiderten Gesichtsausdruck vor sich.
Vasilii bedachte den Mann, der ihm gegenübersaß, mit einem eiskalten Blick. „Das wird nicht möglich sein.“
Der Sekretär zog die Augenbrauen zusammen. „Darüber wird Gang Li nicht gerade glücklich sein.“
„Genauso wenig wäre ich glücklich darüber, wenn ich meine Geliebte mit ihm teilen müsste“, entgegnete Vasilii trocken.
Jetzt war der andere Mann sichtlich erschrocken. Er stammelte eine unverständliche Entschuldigung und hetzte auf den Ausgang zu.
Grimmig sah Vasilii ihm nach. Nun würde er eine Rolle spielen müssen, dabei gefiel ihm diese Scharade kein bisschen. Schließlich gehörte Laura nicht wirklich zu ihm – und genau das störte ihn. Nein, er wollte sie ja gar nicht … Er wollte nicht!
6. KAPITEL
Es war ein anstrengender, aber höchst informativer Tag für Laura gewesen. Erschöpft lehnte sie ihren Kopf gegen die Rückenlehne der Limousine, die auf den Hoteleingang zusteuerte.
Wu Ying wusste ausgesprochen viel über Weinanbau, wie Laura feststellte. Die Chinesin versuchte sich in China selbst als Winzerin.
„Eines Tages werden unsere Weine auf der ganzen Welt gehandelt werden, aber vorerst können wir nur kleine Schritte gehen. Der Weinanbau ist mein ganz eigenes Projekt. Ich habe es gemeinsam mit meinem Cousin verwirklicht, er ist mein Partner im Weingeschäft“, erklärte Wu Ying.
Obendrein hatte die Chinesin Laura anvertraut, dass viele Leute Zweifel am ungetrübten Urteilsvermögen ihres Ehemannes hegten, seit Gang Li aufgetaucht war. Sie war der Meinung, Wei Wong Zhang ließ sich durch die Blutsbande zu stark beeinflussen. An dieser Stelle machte die ältere Dame eine vielsagende Pause, und Laura fragte sich erneut, ob Wu Ying den Gerüchten über den angeblich verlorenen Sohn Glauben schenkte. Aber professionelles Taktgefühl verbot ihr selbstverständlich, der Wahrheit auf den Grund zu gehen.
„Mein Cousin hält es für wenig vorteilhaft für meinen Mann oder unser Land, wenn Gang Li ermutigt werden würde, eine tragende Rolle beim Vertragsabschluss mit Vasilii Demidov zu spielen.“ Die Chinesin beugte sich vor und tätschelte Lauras Arm, was für eine Dame ihres Ranges eine höchst unübliche Geste gegenüber einer Fremden war. „Ich denke, Vasilii Demidov hält große Stücke auf Sie. Und sobald eine Frau Einfluss auf einen mächtigen Mann hat, vermag sie ihn manchmal in eine Richtung zu lenken, die ihm sein eigener Stolz zunächst verbietet.“
Der Wagen hielt vor der Hoteltür, und es war an der Zeit, sich voneinander zu verabschieden.
„Ich habe den Tag mit Ihnen sehr genossen“, sagte Wu Ying mit einem strahlenden Lächeln. Sie winkte zum Abschied und schloss sich ihrer Entourage an, die bereits auf sie wartete.
Nachdenklich machte Laura sich auf den Weg zu ihrer eigenen Suite. Es war schwer einzuschätzen, wie viel von den neu gewonnenen Informationen wirklich den Tatsachen entsprach. Doch ohne Zweifel gab es tatsächlich eine tiefe Kluft zwischen Wei Wong Zhangs Frau und seinem Neffen.
Ich muss so schnell wie möglich mit Vasilii sprechen, überlegte Laura. Und wie immer jagte ihr der Gedanke an ihn einen Schauer über den Rücken.
Jedes Mal, wenn sie nur daran dachte, sich mit ihm zu treffen, war es das Gleiche. Ihr wurde heiß, die Nerven flatterten, und vor ihrem inneren Auge tanzten Fantasiebilder herum, die zunehmend unvernünftig wurden. Es war schrecklich, Vasiliis männlicher Anziehungskraft so hilflos ausgeliefert zu sein.
Das machte aus ihr wieder das Mädchen von früher, dem es ja schon gereicht hatte, von einem Mann zu schwärmen, der sie überhaupt nicht beachtete. In dieses Mädchen wollte Laura sich nicht zurückverwandeln. Schließlich war sie jetzt endlich die Frau, die sie immer sein wollte.
Genau aus diesem Grund musste sie aufhören, Vasiliis Hände oder seinen schönen Mund anzustarren und sich dabei Dinge vorzustellen, die
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