Julia Extra Band 358
anderen. Jetzt gab es kein Zurück mehr.
Als Erstes bemerkte sie den grandiosen Ausblick auf die Berge, deren Spitzen in dichtem Nebel verschwanden. Wahrscheinlich konzentrierte sie sich bewusst auf den Blick aus dem Fenster, um den beengten Raum nicht wahrnehmen zu müssen, der für die nächsten Tage Vasiliis und ihr Heim sein würde.
Ängstlich sah sie zu dem großen Doppelbett hinüber, das im Stil Ludwigs des Fünfzehnten gearbeitet war. Ein riesiges Bett, und nirgendwo war so etwas wie ein Sofa zu entdecken. Nur zwei bequeme Stühle, die am offenen Kamin standen.
„Wir können nicht beide hier schlafen“, erklärte sie schlicht, sobald sie mit Vasilii allein war.
„Das müssen wir“, erwiderte er grimmig. „Keiner von uns hat sich das ausgesucht, aber es ist auch nicht das Ende der Welt. Wir bleiben nur ein paar Tage hier, und ich bin nicht bereit, die Verhandlungen an diesem Punkt erneut aufs Spiel zu setzen.“
„Wir müssen uns ja nicht nur das Zimmer teilen, sondern auch das Bett“, beklagte sich Laura.
„Das immerhin ziemlich groß ist. Außerdem habe ich dir doch schon bewiesen, dass ich in der Lage bin, die Finger von dir zu lassen. Und du hast behauptet, auch mit deinem vorherigen Chef eine Suite geteilt zu haben, ohne dass ihr dabei …“
„Ja, eine Suite ist auch um einiges größer!“
„Trotzdem wurdest du in seinem Bett vorgefunden.“
„In dem er aber nicht geschlafen hat.“
Vasilii seufzte. „Wir stimmen doch beide darin überein, keinen intimen Kontakt mit dem anderen haben zu wollen, oder? Damit ist wohl alles geregelt. Und für den absoluten Notfall haben wir ja noch die gepolsterten Stühle. Würde zwar keine bequeme Angelegenheit werden, aber besser als nichts. Also, wann soll jetzt der Cousin von Wu Ying anreisen?“
„Um vier Uhr heute Nachmittag.“
„Dann bleiben uns noch zwei Stunden. Ich möchte vor dem Meeting ein paar Aufstellungen durchgehen, aber zuerst brauche ich eine Dusche. Dir geht es bestimmt nicht anders. Willst du zuerst ins Badezimmer?“
Ergeben nickte sie. Offenbar hatte Vasilii kein großes Problem damit, ein Zimmer mit ihr zu bewohnen – und mit ihr im gleichen Bett zu schlafen. Sie konnte sich ohne triftigen Grund schlecht dagegen zur Wehr setzen. Was sollte sie schon sagen? Einfach zugeben, dass seine Nähe ihr Angst machte, weil sie sich selbst nicht traute?
Wenn sie an all die Möglichkeiten dachte, die sich ihr in den nächsten Tagen bieten würden, jagte ihr ein Schauer durch den Körper. Vom Kopf bis zu den Fußspitzen konnte sie das aufgeregte Kribbeln spüren, das sie immer überfiel, wenn ihre Fantasie plötzlich die Regie übernahm und die Realität ausblendete.
Doch dieses Mal war das Prickeln so intensiv wie nie zuvor. Als stünde etwas Großartiges, Einmaliges bevor, auf das sie ein Leben lang gewartet hatte …
Heute Abend neben Vasilii zu liegen, würde diese Empfindung ins Unerträgliche steigern, da machte Laura sich nichts vor. Doch so weit durfte sie es nicht kommen lassen, denn dann konnte sie für nichts mehr garantieren.
Der lange Tag endete mit einem gemütlichen Abendessen, bei dem Vasilii und Wu Yings Cousin lange Gespräche miteinander führten. Sie kamen schließlich überein, ein offizielles Vertragsangebot auszusprechen und sich bereits auf einen Teil der Modalitäten festzulegen.
Bei all der Aufregung war die beunruhigende Aussicht, später mit Vasilii allein zu sein, für Laura den Hintergrund gerückt. Als sie am späten Abend schließlich das Gästezimmer betrat, atmete sie hörbar aus.
„Ein fantastisches Ergebnis“, freute sich Vasilii. „Die Konditionen, die man uns angeboten hat, sind noch besser als erwartet.“
Dieses kleine Wörtchen uns gab Laura in das trügerische Gefühl einer engen Verbindung zu Vasilii. Albern, da es ja bloß um ihre gemeinsame Arbeit ging. Sie fasste sich unbewusst an die Ohrläppchen, um zu prüfen, ob der Schmuck noch dort war. Verlegen stellte sie fest, wie intensiv Vasilii sie musterte.
„Ich hatte ein bisschen Angst, sie anzulegen, nachdem ich einen von ihnen fast für immer verloren hätte“, gab sie zu.
„Warum hast du es dann getan?“ Vasilii verspürten den merkwürdigen Wunsch, sich mit Laura über alltägliche Dinge auszutauschen – nur um sie so lange wie möglich in seiner Nähe zu behalten.
„Ich trage sie grundsätzlich, wenn ich den Eindruck habe, ich könnte ein wenig Glück oder moralische Unterstützung gebrauchen. Abergläubischer
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