Julia Extra Band 358
Blödsinn, ich weiß. Aber sie gehörten meiner Mutter, und es tut mir gut, einen Teil von ihr bei mir zu wissen.“
Wieso hatte sie ihm das anvertraut? Er musste sie für völlig bescheuert halten!
„Du hast geglaubt, du brauchst moralische Unterstützung?“
In was habe ich mich da bloß reinmanövriert? ärgerte Laura sich. Völlig bescheuert, das war noch geschmeichelt!
„Ach, wegen des Vertrags“, erklärte sie hastig.
Nachdenklich ging er ein paar Schritte. „Ich habe nichts mehr von meiner Mutter.“ War ihm das wirklich vor Laura über die Lippen gekommen? Vasilii hätte sich am liebsten auf die Zunge gebissen, und sofort wallte wieder die bekannte Wut in ihm auf. Trotzdem hatte er das Bedürfnis, Laura noch mehr anzuvertrauen. „Aber ich trage ungefähr aus dem gleichen Grund wie du die goldenen Manschettenknöpfe meines Vaters, nämlich wenn ich mich einer wichtigen Situation stellen muss. Mein Vater hat zwar nie eine einschlägige Ausbildung absolviert, aber ich habe in meinem Leben keinen Mann hartnäckiger verhandeln sehen als ihn.“
Sein Halt und seine Souveränität hatten sich in Luft aufgelöst. Es war erstaunlich, wie viel er dieser Frau anvertraute, die seines Vertrauens doch eigentlich gar nicht würdig war!
„Diese Eigenschaft hast du ganz offensichtlich von ihm geerbt.“ Sie seufzte leise. „Tut mir leid, dass dir von deiner Mutter nichts geblieben ist. Aber du hast ihre Liebe noch. Die Liebe einer Mutter wirkt weit über den Tod hinaus.“
Überwältigt von seinen Emotionen starrte er sie an. In diesem Moment hätte er sie gern in die Arme geschlossen, festgehalten und ihr alles erzählt, was er nie zuvor hatte aussprechen wollen. Und Laura erwiderte seinen ernsten Blick mit einer Inbrunst, die ihm unter die Haut ging. Sie wirkte so lebendig, mitfühlend und aufrichtig. Was hätte er darum gegeben, sie jetzt küssen zu dürfen!
Was ging nur in ihm vor? Er musste Abstand gewinnen, um keine Dummheit zu begehen.
„Wir sollten besser schlafen gehen“, schlug er vor. „Morgen müssen wir wieder früh raus.“ Aus dem Nichts tauchte plötzlich das Bild seiner Mutter vor seinem geistigen Auge auf. Ihre sanften Augen waren voller Liebe.
„In Ordnung.“ Es klang irgendwie hölzern, und Laura hoffte, dass sie sich nicht allzu durchschaubar verhielt. Ob Vasilii gemerkt hatte, wie gern sie sich noch länger mit ihm unterhalten hätte?
Abrupt drehte sie sich von ihm weg. „Soll ich dann mal zuerst ins Bad?“ Ohne eine Antwort abzuwarten, ließ sie ihn stehen.
In seinem Leben war kein Platz für eine so komplexe Frau wie Laura. Er musste sie gehen lassen. Es war das einzig Richtige. Wieso also bewegte er sich auf sie zu und flüsterte dabei ihren Namen, wieder und wieder?
Wie angenagelt blieb Laura stehen und wartete, bis Vasilii sie erreicht hatte. Sie konnte es kaum glauben, aber er war tatsächlich im Begriff, sie zu küssen. Das erkannte sie in seinen Augen und an der Art, wie er die Lippen bewegte. Die unerwartete Freude darüber drohte, sie innerlich zu zerreißen.
Seine große Hand an ihrer Wange fühlte sich warm an, doch dann schüttelte Vasilii den Kopf. „Nein!“
Für Laura war diese erneute Zurückweisung unerträglich. „Doch“, widersprach sie und richtete sich auf. „Doch!“ Sie legte ihre Hand auf seine Schulter und sah ihm fest in die Augen.
Ein langer, stummer Moment verging, und Laura hatte Mühe, noch regelmäßig zu atmen. Zu viel schien von diesen entscheidenden Sekunden abzuhängen.
Dann gab Vasilii sich einen Ruck und presste seine Lippen auf ihre. Die Schlacht war gewonnen. Die Leidenschaft hatte gesiegt. Endlich durfte Laura der Erregung nachgeben, die Vasilii so lange schon in ihr wachrief.
Seine Hand berührte ihre Brust, und sie spürte seinen Daumen an der empfindlichen Spitze, die sich keck aufgerichtet hatte. Er massierte sie mit kleinen Kreisen und stöhnte, als Laura heftig zu atmen begann.
Als Vasilii den Kuss vertiefte, war es mit seiner Selbstbeherrschung vorbei. Lauras Mund war weich, warm und willig – genau so, wie er sich ihn vorgestellt hatte. Und wie er sich an ihn erinnerte … Sein Verhalten war über alle Maßen leichtsinnig, um nicht zu sagen gedankenlos und unvernünftig. Es widersprach allen Plänen, die er für sich entworfen hatte.
Aber die Stimme der Vernunft war so leise, dass Vasilii sie kaum wahrnahm. Sie wurde übertönt von dem Rausch, den Lauras süße Reize in ihm auslösten. Er wollte aufhören, aber er
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