Julia Extra Band 358
Stich.
„Darf ein alter Freund nicht mal kurz reinschauen?“ Er setzte eines jener schiefen Halblächeln auf, die sie früher für lässig gehalten hatte. Jetzt erschien es ihr nur noch borniert.
„Du bist kein Freund.“
„Das tut weh, Pip. Früher waren wir Freunde.“
Sein aufgesetzter Charme funktionierte nicht mehr bei ihr. Sie schüttelte den Kopf, zerriss die Spinnweben der Vergangenheit, die sie prompt wieder hatten einwickeln wollen, sobald sie den alten Spitznamen gehört hatte. Sie suchte den Blickkontakt mit Brandi, die beim Regal mit den Stoffmustern stand. Die junge Assistentin verfolgte die kleine Szene fasziniert.
Piper reichte ihr den Entwurf. „Stell die Präsentation zusammen und such die Farbmuster heraus. Du übernimmst morgen den Kundentermin.“
„Bist du sicher, Boss, dass ich schon so weit bin?“
„Ja.“ Bei den gemeinsamen Kundenterminen hatte die junge Frau sich bestens bewährt. Sie würde das auch allein schaffen.
„Klasse! Ich mache mich sofort an die Vorbereitung.“ Brandi eilte zurück an ihren Schreibtisch.
Damit war eine Ablenkung aus dem Weg. Pipers Fassung kehrte zurück.
„Ist das ein geschäftlicher oder ein privater Besuch?“, fragte sie Art kühl.
„Eigentlich ein bisschen von beidem, Pip.“
„Ich heiße Piper. Diese Abkürzung habe ich immer gehasst.“ Und er hatte darauf bestanden, die Kurzform zu nutzen.
„He, sei nicht gleich beleidigt.“ Abwehrend hob er die Hände. „Es ist nicht immer leicht, die Vergangenheit zu vergessen.“
Mit vor der Brust verschränkten Armen bedachte Piper ihn mit dem abschätzigen Blick, den sie bei Zephyr gesehen hatte, wenn er mit besonders unangenehmen Lieferanten umging. „Tja, so unterschiedlich kann es gehen. Nachdem du meinen Namen in der gesamten New Yorker Designergemeinde in den Schmutz gezogen hattest, hatte ich überhaupt keine Schwierigkeiten, meine Vergangenheit hinter mir zu lassen.“
„Hast du deshalb deinen stinkreichen Pitbull auf mich gehetzt?“ Er schüttelte den Kopf, mit einer betrübten Miene, die ihr früher schmerzende Pfeile ins Herz gejagt hätte.
Jetzt amüsierte es sie nur, dass er sich tatsächlich einbildete, der Trick mit dem Schuldgefühl könnte noch funktionieren. „Ich weiß nicht, wovon du redest.“
„Ich war verletzt, als du unsere Ehe einfach hingeworfen hast. Zugegeben, vielleicht habe ich auch ein paar Dinge gesagt, die nicht besondern nett waren, aber … das ist kein ausreichender Grund, eine Firma zu zerstören, die seit drei Generationen im Familienbesitz ist. Das hätte ich wirklich nicht von dir erwartet, Pip … Piper.“
Seine Vorwürfe prallten an ihr ab. „Ich weiß noch immer nicht, wovon du redest. Wenn du nichts Vernünftiges zu sagen hast, dann verschwinde aus meinem Studio.“
Für einen Moment sah er verdutzt aus, dann seufzte er theatralisch. „Hör zu, ich kann ja verstehen, dass du sauer auf mich bist …“
„Na, da bin ich aber froh.“
Er runzelte die Stirn. „Aber nicht meine Firma. Du hast dir einen Namen mit Très Bon aufgebaut.“
Wollte er das wirklich als Argument nutzen für … was auch immer das hier sein sollte? „Einen Namen, den du mit schmutzigen Lügen in den Dreck gezogen hast.“
„Ich sagte doch schon, unsere Trennung hat mir zugesetzt. Ich habe manches übertrieben. Ich war nicht ich selbst.“
„Du hast Geschichten mit der Kreativität eines Märchenerzählers erfunden.“ Sie hatte genug von dieser Unterhaltung. „Bist du gekommen, um dich zu entschuldigen?“
„Wenn es das ist, was nötig ist.“
„Nötig wofür?“
„Um mir Zephyr Nikos vom Hals zu schaffen.“
„Zephyr?“ Jetzt verstand sie überhaupt nichts mehr. „Was hat Zephyr mit Très Bon zu tun?“ Arts Studio war nicht innovativ genug, als dass Zephyr die Firma je für seine Projekte genutzt hätte.
„Er unterminiert den Ruf meiner Firma in Kreisen mit weitreichendem Einfluss.“
„Und du glaubst, ich hätte ihn dazu angestachelt?“ Piper war zutiefst beleidigt. „Du solltest mich besser kennen.“
„Das dachte ich auch. Aber ein Mann wie er würde sich nicht die Mühe machen, mich zu ruinieren, wenn er nicht ein Motiv hätte. Ich würde nicht einmal auf seinem Radar erscheinen.“ Und wurmte es ihn nicht enorm, das zugeben zu müssen?
„Zephyr ist ein vielbeschäftigter Mann. Wieso sollte er sich bei seinem vollen Terminkalender Zeit für dich nehmen?“
„Frag ihn! Ich weiß nur, dass Très Bon vor dem Konkurs steht, und
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