Julia Extra Band 359
würden, hatte er gesagt. Und noch besser wäre es, wenn sie annähmen, er ginge deshalb früher nach Hause, um sich einer Nacht hemmungsloser Leidenschaft hinzugeben.
„So ist es. Ich will, dass du meine Familie und deren Zuhause kennenlernst. Ich meine nicht das meiner Eltern, sondern das Haus meiner Großeltern. In meiner Kinder- und Jugendzeit habe ich dort sehr viel Zeit verbracht.“
„Eine … nette Idee.“ Sie runzelte die Stirn. „Aber mir gefällt der Gedanke nicht, deine Großeltern anzulügen.“
„Mein Großvater erwartet das fast. Er will alles kontrollieren. Aber im Grunde meint er es nur gut. Er weiß, dass ich das Richtige tue, oder zumindest alles, worum er mich bittet. Das ist mehr, als er von seinem eigenen Sohn je bekommen hat.“
Aus Ethans Mund klang es so, als wären zwar seine Eltern hoffnungslose Fälle, aber als hätte er zumindest seine Großeltern – und damit im Gegensatz zu Noelle eine richtige Familie. Ihr Vater, laut Celine ein Investmentbanker aus der Schweiz, hatte sie schon vor ihrem ersten Geburtstag verlassen. Und durch die Eskapaden ihrer Mutter hatten sich auch ihre Großeltern bald entfernt. Wie es wohl sein mochte, eine solche Form von Stabilität zu haben?
„Wissen deine Großeltern … von meiner Mutter und deinem Vater?“
„Wahrscheinlich. Er war nicht eben diskret.“
Sie räusperte sich. „Und dein Großvater … Ist er gut zu dir?“
Ethan zuckte mit den Schultern. „Er ist streng, aber das ist wahrscheinlich gut so.“
„Zu streng ist auch nicht gut“, gab sie zurück.
„Zu lax aber auch nicht. Man braucht Disziplin und Kontrolle.“
Die Schärfe in seinem Ton überraschte sie. „Wenn man zu viel davon hat, ist man nur noch eine Maschine.“
„Es ist etwas Seltenes, wenn jemand zu viel Disziplin hat, Noelle. Aber auf dich könnte es zutreffen.“
„Auf dich auch, Ethan.“
Sein Blick brannte sich förmlich in ihren. „Das werden wir noch sehen. Du solltest dich übrigens darauf gefasst machen, von meiner Großmutter in die Zange genommen zu werden.“
Sie versuchte es mit einem Lächeln. „Hört sich ja wie eine ganz besondere Dinnerparty an.“
„Vielleicht habe ich deswegen noch nicht geheiratet.“ Er lächelte finster. „Meine Familie hat einen ganz schönen Knall. Gut, vielleicht bin ich nicht viel besser als sie.“
„Ich finde, du wirkst ganz nett.“
„Das sagst du nur, weil du mich nicht richtig kennst, Noelle. Aber wir werden nicht lang genug verheiratet sein, um das zu ändern.“ Ein seltsamer Ausdruck flammte kurz in seinen dunklen Augen auf.
„Du kennst mich ja auch nicht“, gab sie schnippisch zurück.
„Wahrscheinlich kommen wir deswegen so gut miteinander zurecht.“
Sie lachte. „So siehst du das also?“
„Wir stehen beide noch aufrecht.“ Mit schräg gelegtem Kopf sah er sie an. Sie spürte seinen Blick fast wie eine Berührung, als er ihren Körper, ihre Brüste betrachtete. „Bis jetzt jedenfalls.“ Die Luft schien plötzlich aufgeladen zu sein. Auf einmal machte er einen Schritt auf sie zu. Nur einen Schritt. Sie spürte, dass sie den zweiten machen müsste, sollte mehr daraus werden.
Aber sie blieb wie angewurzelt stehen.
„Wir werden nicht bei meinen Großeltern übernachten“, meinte Ethan und fuhr von der Schnellstraße nach Brisbane ab in einen der Vororte.
Sie könnte schwören, dass Ethans Akzent stärker zum Vorschein kam, seitdem sie durch sein Heimatland fuhren. Und das gefiel ihr, sehr sogar. Zudem war es faszinierend, mit einem Mann wie ihm allein zu sein – eine Erfahrung, die sie noch nie gemacht hatte.
„Und wo übernachten wir dann?“
„In einem meiner Hotels am Strand. Ich denke, es wird dir dort gefallen.“
Noelle erzählte, dass sie hier einmal auf Tournee gewesen war, aber außer dem Veranstaltungsort kaum etwas gesehen hatte.
„Du hast dich wohl nur auf deine Musik konzentriert?“
„Im letzten Jahr habe ich mich ausschließlich darauf konzentriert zu atmen“, gab sie zurück und sah zu den großen Eukalyptusbäumen, die mit zunehmender Schnelligkeit ineinander verschwammen. „Davor gab es nur Atmen und Spielen. Aber jetzt will ich mehr als nur das.“
Schließlich hielt er vor einem großen, schmiedeeisernen Tor an, kurbelte das Seitenfenster herunter und gab eine Nummer in die Sicherheitsanlage ein. Dann wandte er sich wieder Noelle zu und nahm ihre Hand. Ein Schauer überlief sie. Er hatte sie ein paar Tage nicht mehr berührt.
„Ich möchte dich
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