Julia Extra Band 359
dazu noch die Auftritte und Tourneen.“
„Willst du damit sagen, dass du weniger hart arbeitest?“
„Nein, ich arbeite viel. Aber es ist meine Entscheidung.“
Sie senkte den Kopf. „Vielleicht kann ich ja gar nichts anderes.“
Plötzlich schien sein sorgfältig erdachter Plan in sich zusammenzufallen. Mit einem Mal wurde ihm bewusst, dass auch er sie nur benutzte.
Aber für ein schlechtes Gewissen war es inzwischen viel zu spät.
„Natürlich kannst du. Hier …“ Er schlug mit der Hand auf die Rücklehne des Ledersessels. „Setz dich.“
Verwirrt kam sie seiner Aufforderung nach.
Verdammt, sie gab ihm das Gefühl, dass er der böse Wolf und sie das kleine Rotkäppchen wäre. Und das gefiel ihm nicht.
Er verdrängte seine Schuldgefühle. Damit würde er sich später auseinandersetzen. „Kannst du tippen?“
Sie verzog das Gesicht. „Eigentlich nicht. Jedenfalls nicht schnell.“
„Nun, dann wirst du es lernen.“ Er zog einen Stoß Papiere heran, der eigentlich für seine Sekretärin gedacht war. „Ich möchte, dass du das hier in den Computer eingibst. Es sind technische Daten verschiedener Baupläne. Wenn du die Nummern in die Kästchen eingibst, erledigt der Computer für dich die Berechnung.“
„Das schaffe ich.“
„Okay, dann leg los. Ich gehe nach unten und mache ein paar Anrufe. Danach sehe ich wieder nach dir.“ Distanz war jetzt bitter nötig.
Ethan hatte immer noch ein enges Gefühl in der Brust, als er das Büro verließ. Er wusste nicht, warum, aber er wollte Noelle zeigen, dass sie doch zu etwas anderem in der Lage war.
Mehr noch, ihm gefiel ganz und gar nicht, was er in ihrem Blick gesehen hatte: dass sie sich wie eine Versagerin fühlte. Er hatte das Gleiche bei seiner Mutter erlebt, die sich viel zu sehr nach der Meinung anderer gerichtet hatte. Glück fand man so auf keinen Fall.
Wann und warum hatte er eigentlich angefangen, sie mit seiner Mutter zu vergleichen? Und überhaupt sollte er sich gar nicht so viele Gedanken über sie machen. Sie war nur Mittel zum Zweck, wie er umgekehrt für sie auch.
Zwischen ihnen beiden gab es nichts Persönliches.
Er achtete nicht darauf, dass eine leise Stimme in ihm etwas anderes sagte.
Nachdem sie das letzte Blatt eingegeben hatte, überkam Noelle das Gefühl, etwas geleistet zu haben. Wie albern! Es war eine leichte Arbeit gewesen – und doch war es mehr, als sie in letzter Zeit vollbracht hatte.
Sie war zu sehr mit der Vergangenheit beschäftigt gewesen, um etwas Neues zu lernen. Auch hatte ein Teil von ihr gemeint, es nicht zu können. Aber Ethan glaubte an sie. Jedenfalls genug, um sie in seinem Büro allein zu lassen und ihr die Arbeit anzuvertrauen.
In diesem Moment ging die Tür auf, und Ethan trat ein. „Ich hab’s geschafft“, meinte sie und konnte sich ein schiefes Grinsen nicht ganz verkneifen.
„Gut“, sagte er, nicht halb so begeistert wie sie selbst.
„Danke.“
„Wofür? Meine Sekretärin wird froh sein, dass es erledigt ist.“
„Für mich war es wichtig.“
Seine Brauen gingen hoch. „Du kannst etwas, Noelle. Du bist nicht dumm oder in irgendeiner Weise unfähig. Du darfst all das tun, was du willst. Überlasse es nicht den anderen, zu entscheiden, was du wert bist.“
Tat sie das wirklich? Vermutlich. Sie hatte sich oft genug den Kopf darüber zerbrochen, was die Leute denken mochten … Es war der Grund dafür, dass sie sich keinen Job gesucht hatte. Das und die vage Hoffnung, dass sie eines Tages alles wieder zurechtrücken könnte.
Aber sie hatte es nicht geschafft, sondern zugelassen, dass alles noch schlimmer wurde. Und das war ihr Fehler gewesen. „Du hast recht.“
„Ja, sicher.“
„Nein wirklich. Ich hätte etwas tun können. Aber ich habe es nicht getan.“
„Du könntest öfter Daten für mich eingeben, wenn du willst. Es ist zwar langweilig, aber meine Sekretärin wird froh sein, wenn du ihr die Arbeit abnimmst. Dann kann sie etwas anderes erledigen.“
Noelles Kehle fühlte sich plötzlich wie zugeschnürt an. Wie albern von ihr, wegen einer leichten Schreibtischtätigkeit emotional zu werden. „Danke.“
„Aber keine Arbeit bis spät am Abend. Da halte ich dich auf andere Weise auf Trab.“
6. KAPITEL
Es stellte sich heraus, dass er mit „auf Trab halten“ etwas ganz anderes meinte, als sie ursprünglich gedacht hatte.
„Australien?“, fragte sie am nächsten Morgen, als Ethan wieder in ihre Suite kam. Es wäre gut, wenn seine Angestellten ihn bei ihr sehen
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