Julia Extra Band 359
überredet.“
„Müssen Sie denn erst überredet werden?“
Sie errötete bis an die Haarwurzeln. „Vielleicht.“
„Ich werde es mir merken.“
Bei dieser Verabredung ging es nicht um ein Abendessen, so viel war klar. Offensichtlich hatte der Schock ihren gesunden Menschenverstand beeinträchtigt. Sie sah bereits Kerzenlicht und beflissene Ober vor sich, die ihr Champagner einschenkten, dabei sollte sie wohl besser schöne Dessous und Kondome erwägen.
Es ist lächerlich, derart enttäuscht zu sein, sagte sie sich. Diesem Mann ging es um Sex – von Anfang an. Und er nahm an, dass der Abend damit enden würde. Sie hatte auf die harte Tour lernen müssen, dass Männer wie er nicht mit Frauen wie ihr ausgingen, um eine gemeinsame Zukunft zu planen. Ich muss jetzt einen kühlen Kopf bewahren, ermahnte sie sich.
Nicht, dass er sie unter Druck setzte. Er verhielt sich wie der perfekte Gentleman. Abgesehen von dem Handkuss hatte er sie kein einziges Mal berührt. Seine Zurückhaltung rang ihr Bewunderung ab. Sie fühlte sich in seiner Gegenwart vollkommen sicher. Und sie war ihm auch zutiefst dankbar – und befangen. Ein unangenehmer Gedanke schoss ihr durch den Kopf: Vielleicht ist er ja nur deshalb so zurückhaltend, weil er sich seiner Sache absolut sicher ist?
Ausgerechnet das Wassilev-Gästehaus! Ich würde nicht einmal meinen Hund da reinstecken. Und dort wohnt diese fantastische Frau? Die Tür zu ihrem Apartment kann wahrscheinlich ein Fünfjähriger knacken.
Wenn ihr Arbeitgeber schon kein Geld für ein anständiges Hotel aufbringen wollte, sollte er sie wenigstens in einem dieser Betonbunker für Touristen unterbringen, dachte Sergej. Die waren immerhin sicher. Nun ja, egal. Diese Nacht wird die letzte sein, die sie da verbringt, beruhigte er sich.
Trotzdem ging es ihm gegen den Strich, sie bei dieser Adresse abzuliefern, und er bestand darauf, sie bis zur Zimmertür zu begleiten. Offensichtlich ist ihr die schäbige Umgebung peinlich. Zumindest schloss er das aus ihrem Verhalten.
„Sperren Sie die Tür hinter sich zu. Lassen Sie niemanden herein, den Sie nicht kennen.“
Sie hatte sich so in die Tür gestellt, dass er nicht ins Zimmer sehen konnte. Vielleicht war sie auch nur vorsichtig, jetzt, da sie sich in der Nähe eines Bettes befanden. Das war völlig absurd. Er hatte Zeit. Er würde sich Clementine Chevalier in aller Ruhe widmen. Sie würde St. Petersburg zeitlebens nicht vergessen.
Selbstverständlich zu ihrer beider Befriedigung. Und natürlich nur, wenn sie ihr Misstrauen aufgäbe.
Er reichte ihr seine Visitenkarte. „Hier ist meine Nummer. Sie können mich jederzeit anrufen, wenn Sie Hilfe benötigen. Ansonsten hole ich Sie um acht Uhr ab.“
Sie nickte stumm. In ihren grauen Augen lag ein zweifelnder Ausdruck, doch dann glitt wieder dieses rätselhafte Lächeln über ihr Gesicht. Sergej kämpfte gegen den Impuls an, sie einfach zu küssen. Ihm schwebte allerdings ein etwas anderes Ambiente dabei vor. Einer Sache war er sich jedoch gewiss, eine Frau wie Clementine musste man nicht erst umständlich verführen. Sie wussten beide, worum es ging: um Sex ohne Sentimentalitäten.
3. KAPITEL
Clementine blieb nur ein paar Minuten in dem schäbigen Rattenloch, in dem man sie untergebracht hatte, um sich der Stiefel zu entledigen und in Jeans und Turnschuhe zu schlüpfen. Danach fuhr sie sofort zu Luke ins Grand Hotel Europe.
„Du willst trotzdem mit ihm ausgehen?“, rief er aus, nachdem sie ihm erzählt hatte, was passiert war. Vor Schreck rutschte ihm die Brille auf die Nasenspitze.
Das wirkte umso rührender, da es sich nur um eine Attrappe handelte, die er wegen seines Images trug. Sie kannten sich, seit sie ein Teenager war. Damals zog er in die Wohnung nebenan – zu ihrem Glück. Ohne ihn hätte sie wahrscheinlich das erste Jahr in London nicht überstanden. Er besorgte ihr auch den Job bei der Werbeagentur.
Sie ließ sich auf das Hotelbett sinken. Als Chef von Verados PR-Abteilung war Luke für die Medienkampagne in St. Petersburg verantwortlich, deshalb stand ihm ein Zimmer in einem Luxushotel zu.
„Es ist doch nur ein Abendessen.“
„Von wegen! Erst beobachtet er dich in dem Schuhgeschäft, und dann verfolgt er dich auch noch.“
„Und rettet mich!“
„Rettet dich. Ha!“ Luke verzog den Mund zu einem zynischen Lächeln. „Vor einem Handtaschendieb.“
„Es waren zwei und ziemlich üble Kerle. Anschließend hat er mir auch noch geholfen.“
„Von mir aus.
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