Julia Extra Band 359
Sobald der Deal über die Bühne gegangen war, bombardierte er sie mit Anrufen, schickte ihr Rosen, bat sie, ihre Reize nicht zu verstecken und ließ ihr Designergarderobe anliefern. Vor allem direkt, bevor sie ausgingen. Er liebte es, sich mit ihr zu schmücken.
Wie naiv ich war, schoss es ihr durch den Kopf.
Joe Carnegie behandelte sie wie eine Prinzessin. Eines Abends – sie besuchten eines dieser teuren Restaurants – beschloss sie, die Beziehung zu vertiefen. Sie war bereit, mit ihm ins Bett zu gehen. Da überraschte er sie mit der Mitteilung, er hätte ihr eine Wohnung gekauft, damit er sie besuchen könne, wenn er in der Stadt sei.
Seine Worte wirkten wie eine kalte Dusche. Ihr wurde klar, dass es ihm nicht um sie ging. Er wollte einfach eine Geliebte, wenn er in London war, eine, die er vorzeigen konnte, die sich an seinem Arm gut machte, doch es kam noch schlimmer. Ein paar Tage später las sie in der Zeitung von seiner Verlobung mit einem Schlagersternchen, der Tochter eines Industriemagnaten.
Diese Erfahrung tat noch immer weh. Das hatte sie geprägt, deshalb hinterfragte sie Sergejs Absichten. Sie blickte sich in dem Lokal um – die romantische Atmosphäre, das leckere Essen – und erkannte, dass sie wieder einmal in dieselbe Falle gegangen war.
„Entschuldigen Sie bitte!“ Sie stand abrupt auf. Sergej erhob sich ebenfalls. „Ich muss mich kurz frisch machen“, murmelte sie und eilte hinaus.
In der Damentoilette betrachtete sie ihr blasses Gesicht und verfluchte den großzügigen Gebrauch von Wimperntusche. Ihre Tränen würden ein schwarzes Rinnsal hinterlassen.
Sie war nicht traurig – sie war wütend. Auf sich selbst.
Wieso gerate ich immer in solche Situationen, fragte sie sich. Steht auf meiner Stirn das Wort „Freiwild“?
Im Spiegel sah sie, wie eine junge Frau den Raum betrat, die ihr einen gespielt neidischen Blick zuwarf.
„Sergej Marinov“, meinte sie, „Sie Glückliche.“
Eigentlich hat sie recht, dachte Clementine, richtete sich gerade auf und betrachtete ein letztes Mal ihr Spiegelbild. Sie würde sich ihr Date nicht von Joe Carnegie verderben lassen. Wie der Abend endete, lag allein in ihrer Hand.
Den Kopf hoch erhoben ging sie zurück und registrierte erstaunt, dass so etwas wie der Anflug von Erleichterung über Sergej Marinovs Gesicht huschte.
„Haben Sie mich vermisst?“
„Jede einzelne Sekunde, kisa .“
Die Zeit verging, und zu vorgerückter Stunde begann die Band zu spielen. Clementine lauschte begeistert und klatschte enthusiastisch. Sergej wirkte verblüfft über ihre Begeisterung. Als die Musiker für eine Spendensammlung an den Tisch kamen, griff sie sofort nach ihrer Handtasche, doch er legte eine Hand auf ihre und warf ein paar Münzen in den Hut.
„Sie sind mein Gast“, meinte er, als würde das alles besagen.
Clementines Prinzessinen-Ich seufzte beglückt auf, aber natürlich würde sie das nie zeigen. Sie tätschelte seinen Arm und meinte: „Ich bin schon groß. Kommen Sie, wir gehen. Ich spendiere Ihnen ein Eis.“
Etwas aus dem Konzept gebracht, verließ Sergej mit Clementine das Lokal. Alle seine Pläne waren über den Haufen geworfen worden. Er hätte gerne seinen Arm um sie gelegt, doch sie hielt ihn deutlich auf Abstand.
„Vielen Dank für die Einladung. Ich habe die letzten Wochen nur noch gearbeitet. Es war schön, einfach nur einen netten Abend zu genießen.“
Verflixt! „Sie sind sehr leicht zufriedenzustellen, kisa . Der Abend hat aber eigentlich noch gar nicht richtig begonnen.“
„Für Sie vielleicht nicht, Champion! Ich muss morgen früh raus.“
Sie hatte also von Anfang an nicht vorgehabt, mit ihm ins Bett zu gehen. Die ganze Flirterei war nur Show zu ihrem Amüsement. Und er war so in seine erotischen Fantasien vertieft gewesen, dass er das nicht bemerkt hatte. Bald würde sie St. Petersburg verlassen. Das stellte ihn vor die Frage, ob sie weitere Anstrengungen wert war, oder sollte er sie zu ihrem eigenen Besten lieber gehen lassen?
Sie schien ein Mädchen zu sein, das nett und aufrichtig war. Unglücklicherweise appellierten diese Eigenschaften an seine russische Seele, weckten seinen Beschützerinstinkt und veranlassten ihn, taktvoll und behutsam vorzugehen. Es meldete sich aber auch sein Alter Ego, das ihn drängte, sie einfach in die Arme zu nehmen und sie zu küssen, bis ihr Hören und Sehen verging.
Dann eben morgen, beschloss er. Am Samstag flog sie zurück nach London, und wenn er sie nicht zuvor
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