Julia Extra Band 359
den Mund vor Staunen offen. Dann aber sah sie, mit wem er sich unterhielt, mit Giovanni Verado höchstpersönlich.
Was will er hier? Plötzlich war ihr Mund ausgetrocknet. Ganz sicher handelt es sich nicht um einen Zufall. Eigentlich konnte sie auch das nicht mit Bestimmtheit behaupten. Was weiß ich denn von ihm, überlegte sie. Nichts! Außer, dass ihr Herz jedes Mal heftig zu pochen begann, wenn sie ihn sah.
Ihr Magen zog sich vor lauter Nervosität zusammen. Dann wieder fühlte es sich an, als hätte sie Schmetterlinge im Bauch. Den ganzen Tag hatte sie sich gewünscht, eine zweite Chance zu bekommen – und jetzt war sie da.
Clementine zupfte an ihrem Kleid, nahm die Schultern zurück und ging auf ihn zu. Man muss es ihm ja nicht unnötig schwer machen.
Plötzlich stockte ihr Schritt. Er war nicht allein. Eine schlanke Brünette in einem fantastischen blauen Kleid befand sich an seiner Seite. Die Frau war eine Schönheit – und ihre rechte Hand lag auf Sergejs Arm. Beinahe hätte ich mich absolut zum Narren gemacht, durchfuhr es sie, dabei hat er mich bereits ersetzt.
Sie sank in sich zusammen. Wie dumm muss man eigentlich sein, fragte sie sich, um die Realität derart aus den Augen zu verlieren?
In dem Moment drehte Sergej sich um, und sie erstarrte. Sie erwartete, dass er sich abwenden würde, aber seine Miene zeigte einen entschlossenen Zug.
Clementine machte auf dem Absatz kehrt und floh. Ich brauche einen Drink, und zwar sofort! An der Bar bestellte sie eine Bloody Mary. Nicht unbedingt ihr Lieblingsgetränk, aber es musste etwas sein, das schnell wirkte.
Sie fühlte seine Präsenz, bevor sie ihn tatsächlich sah, hob den Kopf und blickte geradewegs in seine Augen. „Ich wünschte, ich hätte Ja gesagt“, stieß sie hervor.
Auf seinem Gesicht spiegelte sich absolute Verblüffung, aber wenigstens kein Mitleid. Ich muss verrückt sein, dachte sie.
Diese Frau ist unglaublich! Sergej war verblüfft. Ihre Stimmung schwankte wie ein Boot auf wilder See.
Seit er sie vor einigen Minuten in der Menge entdeckt hatte, empfand er ein Gefühl wilden Triumphes. Natürlich musste er sich erst von der Dame an seiner Seite verabschieden, aber danach folgte er Clementine wie ein Jäger dem Wild.
Sollte sie ruhig versuchen, auf diesen absurd hohen Stöckeln zu fliehen. Mit ihrem Eingeständnis eben hatte sie ihr Schicksal besiegelt – sie gehörte ihm.
5. KAPITEL
„Darling, könntest du vielleicht ein freundlicheres Gesicht aufsetzen? Du machst den anderen Passagieren ja Angst.“
„Sorry, aber ich habe kaum geschlafen.“ Clementine stand mit Luke vor dem Schalter der Airline, um einzuchecken. Um vier Uhr morgens in einer zugigen Flughafenhalle war ihr alles andere als fröhlich zumute. Luke zuliebe zwang sie sich jedoch zu einem unbeschwerten Lächeln.
Sobald sie wieder in London wäre, würde sie ihr Leben in beide Hände nehmen. Wenn sie eines begriffen hatte, dann, dass sie mit der Vergangenheit abschließen musste. Die alte Geschichte mit Joe Carnegie hatte im Keim erstickt, was sich womöglich mit Sergej Marinov hätte entwickeln können. Natürlich war er nicht ganz unschuldig daran. Wäre er etwas weniger unverblümt und zielstrebig vorgegangen, hätte sie sich vielleicht auf seinen Vorschlag einlassen können.
„Denkst du immer noch an diesen wundervollen russischen Barbaren?“ Luke stand hinter ihr und stützte sein Kinn auf ihre Schulter. „Ich hatte ernsthaft befürchtet, er würde mich niederschlagen.“
„Tut mir leid.“ Sie tätschelte seinen Kopf.
„Sah aus, als wäre er ziemlich scharf auf dich, Clem.“
„Ach was. Da ist nichts. Es ist vorbei.“
„Wenn du meinst – ich bin mir aber nicht sicher, ob er deine Meinung teilt.“
„Du sprichst in Rätseln.“ Clementine schob ihren Koffer ein paar Zentimeter weiter.
„Clementine!“
Sie wirbelte herum, als sie die Stimme hörte. Ihre Augen weiteten sich. Ihr russischer Märchenprinz!
„Komm mit mir nach New York, kisa .“
Jetzt, wo sie gerade im Begriff war, ins Flugzeug nach London zu steigen? Dieser Mann ist verrückt.
„Ist das Ihr Gepäck?“ Ein junger Mann griff nach ihrem Trolley und dem Koffer.
„He! Das nehme ich!“, protestierte Sergej.
Er machte eine herrische Geste, und der junge Mann ließ ihr Gepäck los, als hätte er sich die Finger verbrannt.
„Oder hast du über Nacht doch wieder deine Meinung geändert?“
Auf seinen Lippen lag ein unwiderstehliches Lächeln.
„Nein, aber …“
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