Julia Extra Band 359
Küche, um die Einkaufstaschen zu holen.
Als sie sich umdrehte, stand Sergej in der Tür. Sein Haar war zerzaust, und er brauchte definitiv eine Rasur. Süß sieht er aus, dachte sie. Sofort fing ihr Herz heftig zu pochen an. Sie strahlte ihn an, auf seinen Lippen lag jedoch nicht der Hauch eines Lächelns.
„Ich muss ins Boxstudio. Gegen Mittag bin ich zurück.“
Ihr Lächeln erstarb.
„Später kommen ein paar meiner Mitarbeiter, wir müssen unsere weitere Strategie festlegen.“
Damit haben sich meine Pläne ja wohl endgültig erledigt. Enttäuscht presste sie die Einkaufstaschen an sich und gestand sich ein, wie sehr sie sich bereits in eine Beziehung mit diesem Mann verstrickt hatte, einem Mann, dessen Interesse allein seiner Arbeit galt. Diese Erkenntnis war bitter – vor allem nach einer Nacht wie der vergangenen.
„Du musst heute leider etwas ohne mich unternehmen, Clementine.“
Wenigstens weiß ich jetzt genau, woran ich bin, dachte sie, aber es tat weh, so entsetzlich weh. Sie wagte nicht, Sergej ins Gesicht zu sehen, aus Angst, ihre Gefühle zu verraten. Plötzlich kam sie sich dumm vor, wie sie da mit ihren Rettet-die-Erde-Taschen stand, naiv und einfältig. Sergej dagegen verkörperte Geld und Macht. Sie war nur froh, dass sie nicht dazu gekommen war, ihm den Marktbesuch vorzuschlagen.
Ich bin ihm also im Weg. Er will nicht daran erinnert werden, wie die letzte Nacht war, wie leidenschaftlich, wie nahe wir einander waren. Das war die einzige Erklärung, die es gab. Sie fühlte sich, als wäre sie ein Stäubchen auf seinem Jackenärmel, den er mal eben wegschnippte.
Er traut mir nicht. Ihm ist überhaupt nicht bewusst, dass ich ihn nie verletzen würde, dagegen verletzt er mich ständig. Das machte er ihr grausam deutlich. Sie sah auf ihre Hände, mit denen sie immer noch die Einkaufstaschen umklammert hielt.
„Ich gehe zum Markt“, verkündete sie. „Willst du mitkommen?“
„Du weißt aber schon, dass ich jemanden bezahle, der die Einkäufe für mich erledigt?“
Mir ist sogar klar, dass du Frauen dafür bezahlst, dass sie mit dir schlafen, hätte sie fast gesagt, doch ihr Stolz ließ es nicht zu. Auch wenn er sie in die Riege seiner Gespielinnen einreihte, wusste sie, dass sie bei ihm war, weil sie ihn liebte.
Ich liebe ihn!
Dieser Gedanke traf sie wie ein Schlag. Selbst in einer Hightech-Küche konnte man also einen Moment der Erleuchtung haben, dennoch brach die Erkenntnis ihr das Herz.
Sergej zog seinen Geldbeutel aus der Hosentasche und nahm ein paar Scheine heraus. Am liebsten wäre Clementine im Erdboden versunken. Dann riss sie sich zusammen und sagte sarkastisch: „Ich bin durchaus in der Lage, ein Kilo Äpfel zu bezahlen, Sergej.“ Sie drehte sich auf dem Absatz um. Selbst sein Anblick war ihr im Moment zuwider.
Erschreckt fuhr sie herum, als sie seine Hand auf ihrer Hüfte spürte. Es fehlte nicht viel und sie hätte ihm ihre Enttäuschung ins Gesicht geschrien – und sich in seine Arme geworfen. Sie fühlte, dass er ihr Geld in die Hosentasche schob.
„Kauf dir was Schönes“, sagte er und gab ihr einen Klaps auf den Po.
Clementine konnte es einfach nicht glauben. Sie dachte, ihre Sinne müssten sie täuschen. Das kann nicht sein! Er kann mich nicht so behandeln, mich derart verletzen. Der Schmerz gab ihr die Kraft zu gehen. Sie überlegte ernsthaft, für immer aus seinem Leben zu verschwinden, aber so weit war sie noch nicht, das war unmöglich. Nicht nach der vergangenen Nacht.
Vor wenigen Augenblicken war sie der glücklichste Mensch auf Erden gewesen, mit rosaroter Brille auf Wolke sieben, wegen dieser Nähe, dieser Intimität, die sie miteinander geteilt hatten. Wo waren diese Gefühle hin?
Nichts davon war mehr übrig. Das Einzige, das er jetzt bereit war zu geben, war sein Geld.
Stunden später kam sie mit vollgepackten Taschen zurück. Der Lieferservice würde den Rest bringen, aber Clementine wollte die Spezialitäten, die sie erstanden hatte, selbst nach Hause tragen. Verschiedene Käsesorten, französischen Rotwein, chinesischen Tee und diese schrecklichen eingelegten Heringe, die Sergej so liebte. Auch wenn er sie nur als attraktive Dekoration an seiner Seite betrachtete, drängte es sie, ihm diesen Liebesdienst zu erweisen.
Girl des Monats, schoss es ihr durch den Kopf. So sieht er mich. Die Empörung brannte immer noch lichterloh in ihrer Seele.
Sie trug die Einkäufe in die Küche. Bereits im Flur hörte sie Männerstimmen. Sie stellte
Weitere Kostenlose Bücher