Julia Extra Band 359
ausschalten wollten, um ihm den Weg zu ebnen. Vielleicht steckt auch Hanas Familie dahinter, die so erzwingen will, dass man Alims Entscheidung, Hana zu heiraten, akzeptiert. In dem Fall wird man uns spätestens dann freilassen, wenn die Hochzeitsvorbereitungen beginnen.“
Amber maß ihn mit einem skeptischen Blick. „Eine nette Story, die du mir da präsentierst, um mich in Sicherheit zu wiegen. Dumm nur, dass du selbst nicht daran glaubst. Also, was denkst du, wer wirklich hinter unserer Entführung steckt?“
„Amber …“
„Ich bin kein Kind mehr“, schnitt sie ihm scharf das Wort ab. „Hier geht es auch um mein Leben, Harun. Ich muss wissen, was auf mich zukommen könnte. Sonst werde ich dir keine große Hilfe sein.“
Ein paar Sekunden verstrichen, dann stand er auf, kam um den Tisch herum und stellte sich dicht hinter sie. Dann beugte er sich vor. „Es ist möglich, dass die Fundamentalisten, die Alims westliche Gesinnung verurteilen, ihn ebenfalls in ihrer Gewalt haben“, sagte er so leise, dass sie sich anstrengen musste, ihn zu verstehen. „Und sie haben uns hier festgesetzt, so gut wie nackt, um die Sache in die gewünschte Richtung zu lenken.“
„Und die wäre?“, flüsterte sie zurück, gegen ihren Willen fasziniert. Um sich ungehört mit ihm unterhalten zu können, musste sie aufstehen und sich dicht an ihn lehnen. Und sie reagierte prompt, indem ihre Haut ein heißes Prickeln überlief.
„Na, die offensichtliche.“ Er schmiegte sich an sie und ließ es so aussehen, als trieben sie ein erotisches Liebesspiel. „Sie wollen einen legalen al-Kanar-Erben von einer ehrbaren Frau. Wer käme dafür besser infrage als du?“
Amber spürte, wie ihre Wangen brannten. „Oh.“ Was sollte sie dazu sagen? Der Ausdruck in seinen Augen beunruhigte sie. „Da gibt es noch etwas, was du mir verschweigst“, flüsterte sie dicht an seinem Ohr. Als er mit der Antwort zögerte, drängte sie: „Sag mir, wovor du Angst hast. Schließlich steht hier auch mein Leben auf dem Spiel.“
Das Schweigen dehnte sich aus. Amber dachte schon, er würde gar nicht mehr antworten, da raunte er ihr zu: „Wenn wir miteinander schlafen und du schwanger wirst, Amber, dann gibt es keinen Grund mehr für sie, meinen Bruder am Leben zu lassen.“
5. KAPITEL
Das Schicksal meinte es wirklich nicht gut mit ihnen. Selbst jetzt, fast nackt und dicht aneinandergeschmiegt, als seien sie kurz davor, miteinander ins Bett zu gehen, würde es nicht passieren.
Frustriert fragte sich Amber, ob sie je die Chance auf eine ganz normale Ehe bekämen.
Sie sah Harun in die Augen und las darin die Angst um seinen Bruder. Die einzige Familie, die er noch besaß. Es war nur natürlich, dass die Sorge um Alim Vorrang hatte.
Amber nickte langsam, dann sagte sie so ruhig wie möglich, ohne ihn ihre wahren Gefühle merken zu lassen: „Dann werden wir also nicht miteinander schlafen.“
„Danke, Amber.“ Seine Stimme klang bewegt. „Ich weiß ja, wie sehr du dir ein Kind wünschst. Ich verstehe, welch großes Opfer das für dich bedeutet.“
„Wenn das Leben einer meiner Schwestern auf dem Spiel stünde, würde ich dasselbe von dir erwarten.“ Sie atmete tief durch, um das Zittern aus ihrer Stimme zu verbannen. „Also, was sollen wir jetzt tun?“
Mit einem eindringlichen Blick, den sie nicht einordnen konnte, kehrte er an seine Seite des Tisches zurück. „Während du geschlafen hast, habe ich mich gründlich in unserem Gefängnis umgesehen. Einen Fluchtweg gibt es nicht, fürchte ich. Denke nur an die Scharfschützen überall.“
„Das war’s dann also?“, meinte Amber ungläubig. „Wir sitzen hier fest, bis jemand das Lösegeld für uns zahlt?“
„Ja“, erwiderte er knapp, und ihr Herz sank. Wieder sah er sie eindringlich an, und endlich begriff sie. Wie hatte sie auch nur für einen Augenblick vergessen können, dass sie mit Sicherheit abgehört wurden? Das hieß, sie mussten aufpassen, was sie sagten. „Ja, wir sitzen hier fest. Und falls dir das nicht gefällt, darf ich dich daran erinnern, dass du einverstanden warst, mich zu heiraten.“
Worauf wollte er nur hinaus? Sie zuckte unschlüssig die Achseln. „Wenigstens behandeln sie uns besser, als Alim in Afrika behandelt wurde.“
„Nun, schließlich war Alim immer der Held in der Familie, der sich aus jeder Situation befreien kann.“
Seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, würde er es vorziehen, ebenfalls schlecht behandelt zu werden.
Amber zog die
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