Julia Extra Band 359
mich gehasst?“
Eine vage Kopfbewegung, halb Zustimmung, halb Verneinung, war die Antwort. Harun verstand. „Es tut mir leid, Alim“, sagte er schließlich, ohne wirklich zu wissen, wofür er sich eigentlich entschuldigte.
Wieder ein gleichmütiges Achselzucken. „Also, was hättest du aus deinem Leben gemacht, wenn ich dich nicht in meiner Sucht nach Ruhm und Vergnügen davon abgehalten hätte?“, fragte er schließlich mit einem schiefen Lächeln.
Harun war nur zu bereit, auf den lockeren Tonfall einzugehen. Er sehnte sich danach, die Vergangenheit endlich ruhen zu lassen. „Komm schon, akhi . Das musst du doch wissen. Gib dir ein bisschen Mühe und denk nach.“
Alim schüttelte ratlos den Kopf, dann leuchteten seine Augen auf. „Diese Geschichtsbücher, in die du dich als kleiner Junge immer vergraben hast. Du willst doch nicht etwa Wissenschaftler werden?“
„Heiß, ganz heiß.“ Haruns Grinsen wurde breiter. „Archäologe, genau gesagt.“
„Wirklich?“ Alim lachte laut auf. „Du willst dein Leben damit verbringen, alte Knochen und Tonscherben auszubuddeln?“
„Das von dir, der jahrelang mit Autos gespielt hat“, konterte Harun augenzwinkernd.
„So gesehen … Okay, ich werde endlich erwachsen, und du verwandelst dich in ein Kind zurück und spielst mit Eimer und Schaufel.“
Die Atmosphäre hatte sich spürbar entspannt. „Du hast also keine Einwände?“
„Selbst wenn, verbieten kann ich es dir schließlich nicht, oder? Tu, was du für richtig hältst, meinen Segen hast du.“ Alim stand auf und kam um den Schreibtisch herum. „Ich verspreche dir, hier einen guten Job zu machen und dich die kommenden dreizehn Jahre nicht zu belästigen.“
Haruns Miene verdüsterte sich. „Besten Dank, aber im Moment habe ich etwas Wichtigeres vor, als Ausgrabungen zu organisieren. Wenn ich dich richtig verstanden habe, gibst du mir freie Hand.“ Alim nickte ernst. „Als Erstes muss ich in aller Öffentlichkeit erklären, dass ich die Macht endgültig in deine Hände lege und kein Interesse daran habe, sie zurückzugewinnen.“ Er begegnete dem fragenden Blick seines Bruders. „Am besten, ich tauche so lange unter, bis man dich als neuen Herrscher akzeptiert hat. Sonst, fürchte ich, werden unsere Freunde es noch einmal versuchen … Und diesmal womöglich mit Erfolg.“
„Mir bleibt wohl nichts anderes übrig, als dich ziehen zu lassen. Wenn auch ungern, denn du bist alles, was ich noch habe. Pass gut auf dich auf, akhi . Ich will nicht auch noch an deinem Grab trauern.“
„Ich tue es für dich, Bruder. Schließlich bin ich der Soldat in der Familie. Ich muss die Kerle fassen, die Amber und mich entführt haben. Solange die Gruppe nicht zerschlagen ist, bist du nicht sicher … Und auch nicht die Frau, die du liebst.“
„Ich merke, ich kann dich nicht aufhalten. Aber bevor du gehst, muss ich noch eines wissen, für meinen Seelenfrieden: Machst du mich für Fadis Tod verantwortlich?“
Vielleicht war das anfangs so gewesen, Harun wollte es nicht abstreiten. Inzwischen war er klüger geworden. Er wusste, dass Alim keine Schuld an dem fatalen Unfall traf. Natürlich nicht. Es wäre unfair, ihn zusätzlich zu allem, was er durchgemacht hatte, zu bestrafen, indem man ihn dafür verantwortlich machte. Die Last, die er trug, war schwer genug. Immerhin hatte auch er einen geliebten Bruder verloren.
„Fadi war entschlossen, sich auf dieses Rennen einzulassen. Er kannte das Risiko und ist es bereitwillig eingegangen. Möglich, dass er es tat, um der Verzweiflung darüber zu entkommen, dass er nicht die Frau heiraten durfte, die er liebte. Diese arrangierte Ehe mit Amber machte ihm schwer zu schaffen. Aber ich glaube nicht, dass er wirklich sterben wollte.“
Alims Stimme klang rau, als er sagte: „Danke.“
„Wir haben doch beide gewusst, wie unglücklich er war. Wenigstens hast du etwas unternommen, um ihn abzulenken. Du wolltest ihn ein paar Stunden glücklich sehen, weil du ihn geliebt hast. Der schreckliche Unfall war Schicksal, du kannst nichts dafür. Du bist ja selbst nur knapp mit dem Leben davongekommen.“
„Ich danke dir, Bruder.“
Ein Satz, der von Herzen kam, das spürte Harun. So aus tiefster Seele hatte bis jetzt außer Fadi und Alim nur Amber mit ihm gesprochen. Amber … deren einziger Wunsch es gewesen war, die Flitterwochen mit ihm nachzuholen. Leider konnte er ihr diesen Wunsch noch nicht erfüllen. Er musste unbedingt mit ihr reden, um ihr alles zu erklären
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