Julia Extra Band 359
− in der Hoffnung, dass sie ihn verstehen würde.
„Ich muss zu Amber“, sagte er.
„Ja, es ist höchste Zeit, dass du ihr sagst, was du für sie empfindest.“ Als Harun ihn fragend ansah, fuhr Alim mit einem wissenden Lächeln fort: „Ich habe von Anfang an gewusst, dass du heimlich in sie verliebt warst.“
Harun sah ihn ungläubig an. „Das hast du gewusst?“
Achselzuckend erwiderte sein Bruder: „Was denkst du denn, warum ich so schnell verschwunden bin, nachdem feststand, dass ich sie heiraten soll. Sie hat mich zwar immer ganz verliebt angehimmelt, aber ihre Bewunderung galt dem Rennfahrer-Scheich, nicht mir als Person.“
„Auch das wusstest du also!“
„Natürlich. Sonst hätte ich dich doch nicht mit der ganzen Last der Verantwortung allein gelassen. Zugegeben, es war nicht die reine Selbstlosigkeit, weshalb ich mich damals in die Schweiz abgesetzt habe. Aber ich habe dabei auch an dich gedacht. Ich hoffte, dass du dadurch die Liebe deines Lebens leichter gewinnen könntest. Dass Amber mich schneller vergessen und sich dir zuwenden würde.“
„Aber konntest du dir nicht vorstellen, wie schrecklich es für mich sein würde, dich auch noch zu verlieren?“
„Damals nicht. Heute ist das anders.“ Nüchtern fuhr Alim fort: „Ich war nicht der richtige Mann für sie. Ich fühlte mich der Verantwortung der Regentschaft nicht gewachsen, aber ich wusste, dass du meinen Platz einnehmen würdest. In der Regierung … und bei Amber. Ich hätte es auch nicht ertragen, dir schon wieder etwas zu nehmen, was dir so wertvoll war.“
Alims Schuldgefühle wegen Fadis Tod. Harun schloss die Augen und schüttelte den Kopf. So viele Gefühle stürzten auf einmal auf ihn ein … Es war mehr, als er ertragen konnte. Um dem Gespräch eine andere Richtung zu geben, meinte er darum neckend: „Du kannst wirklich alles erklären. Auf den Mund gefallen warst du jedenfalls nie. Um diese Gabe haben dich immer alle beneidet.“
Alims Miene hellte sich auf. „Wirklich? Du schmeichelst mir, Bruder.“ Er gab Harun einen freundschaftlichen Klaps auf die Schulter. „So, jetzt verschwinde endlich. Schließlich hast du noch etwas mit Amber zu klären.“
Harun brauchte über eine Stunde, bis er sie gefunden hatte − in der Bibliothek, vertieft in ein Buch über Archäologie. Sie sah kurz auf, als er hereinkam. Ihr Blick wurde abweisend, und sie fuhr fort, scheinbar konzentriert zu lesen.
In diesem Moment wünschte sich Harun, dass er über die Redegewandtheit seines Bruders verfügte. „Es tut mir leid“, meinte er unbeholfen. „Ich weiß, du wolltest nur helfen.“
Sie blätterte eine Seite um, als sei sie immer noch völlig in das Buch vertieft. „Was hast du vor?“
Ohne zu zögern erklärte er: „Ich verlasse die Stadt noch heute Nacht. Mir bleibt keine andere Wahl, ich muss die Entführer finden. Bis ich das nicht geschafft habe, ist hier niemand wirklich sicher.“
Den Blick weiter auf die Seite gerichtet, sagte sie: „Na dann … Auf Wiedersehen. Genieß deine Flucht.“
„Amber, versteh doch bitte. Ich muss es tun.“
„Lass mich nur allein hier zurück, an dem Ort, von dem ich schon einmal gekidnappt wurde“, meinte sie spitz. „Aber um meine Sorgen und Wünsche geht es ja nicht, richtig? Du verschwindest, ganz egal, was ich dabei empfinde.“
Ihre Worte erschütterten ihn. „Ich dachte, gerade du würdest mich verstehen. Würdest du nicht auch alles unternehmen, um deine Familie zu retten?“
Endlich blickte sie auf. Ihre Augen wirkten seltsam stumpf, sie leuchteten nicht wie sonst. „Worauf wartest du dann noch? Los, geh schon, rette deinen Bruder, die Nation, von mir aus die ganze Welt. Ist es nicht deine Pflicht, das Wohlergehen deines Bruders und unseres Volkes über alles zu stellen, besonders über mich?“
Warum begriff sie denn nicht? „Mir bleibt keine andere Wahl, Amber. Wenn ich die Kidnapper nicht unschädlich mache, riskiere ich, dass sie es noch einmal versuchen. Möglich, dass sie Alim umbringen, jetzt, da sie wissen, dass wir ein Liebespaar sind.“
„Das waren wir. Im Moment sind wir gar nichts“, erwiderte sie anscheinend völlig gleichmütig. „Du bist von nun an mit deiner Undercover-Mission verheiratet.“
Harun spürte, wie er allmählich die Geduld verlor. Warum kam Amber nicht auf den Punkt, statt ihn mit ihren Sticheleien zu quälen? Er fühlte sich hilflos und wusste nicht, wie er reagieren sollte. Um kurz vor seiner Abreise nicht noch mit ihr zu
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