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Julia Extra Band 359

Julia Extra Band 359

Titel: Julia Extra Band 359 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucy Ellis Maisey Yates Melissa James Jackie Braun
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alle Pflichten von jemandem abnehmen zu lassen, der dumm genug ist, sich diese freiwillig aufzubürden. Er hat alles für dich aufgegeben, während du dich in deinem Helden-Image gesonnt hast. Hast du je einen Gedanken daran verschwendet, was er möchte? Oder hast ihn wenigstens gefragt?“
    Im Raum war es jetzt völlig still, nur Ambers erregtes Atmen war zu hören. Den Blick anklagend auf Alim gerichtet, redete sie unbarmherzig weiter, fest entschlossen, das Thema nicht ruhen zu lassen. „Nur damit du es weißt: Harun hat sich nie bei mir beklagt, dazu ist er viel zu fein. Bleibt nur zu hoffen, dass du dein Leben auch in vollen Zügen genossen hast, wo Harun seines so großzügig geopfert hat. Und er ist bereit, es wieder zu tun. Sei einmal im Leben ein richtiger Mann, Alim!“
    Amber riss sich von Harun los und verließ fluchtartig den Raum.
    Sprachlos sah Harun ihr nach. Erst jetzt wurde ihm bewusst, wie loyal sie tatsächlich all die Jahre zu ihm gehalten hatte.
    Loyalität, Mut, Pflichtbewusstsein … Amber verkörperte diese Eigenschaften in perfekter Harmonie. Nicht, dass er es verdient hätte.
    „Hast du mich die ganze Zeit gehasst?“, wollte Alim wissen.
    Harun begegnete dem gequälten Blick seines Bruders und setzte schon zu einer versöhnlichen Antwort an.
    „Nicht“, presste Alim hervor. „Sag mir die Wahrheit, nur dieses eine Mal. Versteck dich nicht hinter Höflichkeiten, sei einmal nicht der perfekte Bruder. Antworte mir: Hast du mich gehasst, weil ich auf deine Kosten mein Leben verwirklicht habe?“
    Jahrelang hatte Harun darauf gewartet, dass seinem Bruder bewusst wurde, was er getan hatte. Dass er ihn darauf ansprechen würde. Und jetzt, als der Moment endlich da war, schien das alles plötzlich nicht mehr so wichtig zu sein. Er musterte Alim forschend. „Was hast du damit gemeint, der perfekte Bruder?“
    Alim verzog schmerzlich das Gesicht und rieb sich über den narbigen Nacken. „Tu bitte nicht so, als ob du nicht verstehst, was ich meine. Du und Fadi, ihr habt doch immer zusammengesteckt. Fadi konnte dich nicht hoch genug in den Himmel heben, Harun dies und Harun das. Du warst immer so viel perfekter in dem, was eigentlich meine Aufgabe gewesen wäre. Wäre ich nach Hause gekommen, um mich meinen Pflichten zu stellen, hätte ich sowieso nur den zweitbesten Job gemacht. Fadi wollte immer dich als Nachfolger oder Stellvertreter, ich war im Grunde bloß die zweite Wahl.“
    „Das habe ich nie so gesehen!“
    Alim reagierte nur mit einem knappen Achselzucken. Ein Abbild seines eigenen Verhaltens, besonders Amber gegenüber, erkannte Harun. Er wusste, wie sich das anfühlte. Und er wusste, wie sehr sein Bruder litt.
    Nie hätte er es für möglich gehalten, dass sie einander so ähnlich waren.
    „Es muss bitter für dich gewesen sein“, sagte er schließlich.
    Wieder dieses gleichmütige Achselzucken, die abweisende Miene. Es war, als blickte Harun in einen Spiegel. Jetzt, da er sich selbst mit diesem Verhalten konfrontiert sah, merkte er erst, wie schwer er es Amber gemacht hatte. Umso erstaunlicher, dass sie es schließlich geschafft hatte, seinen Panzer aufzubrechen und in sein tiefstes Inneres vorzudringen.
    Er lächelte versonnen. Tapfere kleine Amber … Sie hatte ihn nie aufgegeben. Sie musste sein Verhalten jahrelang aus der Ferne analysiert haben. Vielleicht war es auch einfach Schicksal. Oder Liebe.
    Liebe? fragte er sich beinahe erschrocken.
    Wie kommst du plötzlich darauf, Harun?
    „Hast du überhaupt eine Vorstellung davon, wie es sich anfühlt, sich an der Seite seines kleinen Bruders auf der Beerdigung der Mutter wie ein Wurm vorzukommen?“, brach es auf einmal aus Alim heraus. „Fadi hat mich das nie vergessen lassen. Ich konnte machen, was ich wollte, in seinen Augen habe ich mich nie mit dir messen können.“
    Harun starrte ihn entgeistert an. „Das hat Fadi gesagt?“
    „Er hat keine Gelegenheit ausgelassen, es mir zu beweisen“, knurrte Alim.
    Kaum zu glauben! Der Bruder, zu dem Harun immer voller Bewunderung aufgeschaut hatte, hatte ihn bevorzugt, ähnlich wie ihre Eltern Alim. Diese Erkenntnis stellte alles, woran er sein ganzes Leben lang geglaubt hatte, infrage. Der Held Alim schrumpfte plötzlich auf das Maß eines ganz normalen Menschen. Eines verletzlichen Menschen.
    Ausgerechnet der Bruder, dem er so lange gegrollt hatte, entpuppte sich als die Person, die am besten nachempfinden konnte, wie Harun sich all die Jahre gefühlt hatte. „Und du? Hast du

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