Julia Extra Band 359
ganze Familie zum Essen bei sich gehabt hatte. Obwohl ihm das Timing nicht besonders gut passte, freute er sich doch, sie alle hier zu sehen.
„Diese Marinara stammt von einer Basissoße, die Rachel und ich letzte Woche zusammen gekocht haben. Sie ist gut, oder?“, fragte Lucia.
„Hervorragend“, bestätigte Paolo.
Bill und Ava stimmten ebenfalls zu.
„Was ist Marinara?“, wollte die vierjährige Maria wissen. Ihre kleine Schwester benutzte die Soße gerade als Fingerfarbe auf ihrem Teller.
Die Erwachsenen lachten, vor allem, als Lucia in gespielter Entrüstung meinte: „Wie kann es sein, dass deine Tochter das nicht weiß? In ihrem Alter sollte sie sie auch schon bald machen können.“
„Die Mädels werden es schon noch lernen. Genau wie ihr neues Geschwisterchen.“ Kaum hatte Ava es ausgesprochen, sprachen alle aufgeregt durcheinander und beglückwünschten die werdenden Eltern.
Tony blickte sich um. Die Frauen hatten alle feuchte Augen, sogar Rachel.
„Noch ein Enkelchen.“ Lucia wischte sich die Freudentränen mit der Serviette ab, bevor sie sich wieder hinsetzte. „Wenn dein Papà noch leben würde, wäre er überglücklich.“
Paolo, der neben ihr saß, tätschelte liebevoll ihren Arm. „Ja, das wäre er. Genau wie ich.“
Wieder einmal wurde Tony bewusst, was für ein guter Mann sein Stiefvater war. Paolo hatte sich damit zufriedengegeben, die Kinder eines anderen Mannes großzuziehen, sie zu lieben und zu führen, ohne jemals zu versuchen, den Platz ihres verstorbenen Vaters einzunehmen. Was für ein wunderbares Geschenk, dass Lucia nicht nur einmal, sondern zweimal in ihrem Leben eine so große Liebe gefunden hatte.
Als er zu seiner Schwester hinüberschaute, sah er das vertraute Lächeln, das sie mit ihrem Mann wechselte, mit dem sie schon seit fast zehn Jahren verheiratet war. Ehe und Mutterschaft standen ihr gut. Das hatte sie Bill zu verdanken. Er und Ava gingen an die Kindererziehung so wie an alles andere in ihrem Leben immer gemeinsam als ein Team heran. Sie lachten viel zusammen, und zweifellos gab es auch mal Streit. Immerhin war Ava eine temperamentvolle Salerno. Aber vor allem liebten sie einander innig, offen und bedingungslos.
Es erschreckte Tony ein bisschen, als er merkte, dass er dasselbe haben wollte wie Ava. Und zwar alles. Das Lachen, die Dramatik, die Auseinandersetzungen und die stillen Morgenstunden beim Kaffeetrinken. Sex, der mehr bedeutete als rein körperliche Befriedigung. Geborgenheit, Kontinuität, Kinder. Eine eigene Familie.
„Ich hatte schon gedacht, ich müsste mich damit begnügen, nur zwei Enkelkinder zu verwöhnen.“ Lucia, die ihm gegenübersaß, warf ihm einen vielsagenden Blick zu.
Zur Überraschung aller erwiderte er: „Wer weiß, was die Zukunft noch bringt, Mamma?“
Allerdings. Vor einem Jahr hätte er gar nicht daran gedacht, mit Rachel ins Geschäft zu kommen, geschweige denn sie zu umwerben. Und ganz sicher hätte er sich niemals ausgemalt, dass sie mit ihm und seiner Familie zusammen beim Essen saß und aussah, als gehörte sie dazu.
Noch immer war ihm nicht recht wohl bei der Freundschaft, die sich zwischen seiner Mutter, seiner Schwester und Rachel entwickelte. Tony hätte es nicht ertragen, sie zu verletzen, falls es nicht funktionieren sollte.
Vor dem Dessert wurde der Tisch abgeräumt. Lucia machte dabei ein großes Aufhebens um ihren Sohn.
„Noch mehr Tiramisu, Tony?“ Als er nickte, sagte sie zu Rachel, die gerade den Kaffee holen wollte: „Bringen Sie ihm ein großes Stück.“
Nach einer Stunde war die Familie im Begriff zu gehen, und Lucia erklärte: „Tony, du kommst mit uns.“
„Wohin?“
„Nach Hause.“ Sie zeigte auf Rachel. „Ihr könnt nicht beide hier übernachten.“
„Mamma, ich bin achtunddreißig …“
„Es ist mir egal, wie alt du bist. Und es ist mir auch egal, was du tust, wenn ich nicht da bin. Aber bis Rachel in ihr Apartment eingezogen ist oder einen Ehering an ihrem Finger trägt, solltest du nicht hier wohnen. Das gehört sich nicht.“
„Ich kann auch bei meiner Mom bleiben“, meinte Rachel mit hochroten Wangen.
Hinter ihr konnten Ava und Bill kaum ihre Belustigung unterdrücken. Doch wenigstens kam Ava ihrem Bruder zu Hilfe.
„Mamma, sei vernünftig. Tony war den ganzen Tag unterwegs. Er ist bestimmt erschöpft.“
Er nickte dankbar.
Bill war da weniger hilfreich. „Ich bin sicher, das Einzige, was Tony jetzt vorhat, ist, ins Bett zu gehen.“
„In sein Bett“, betonte
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