Julia Extra Band 361
Rückzieher gemacht und geschwiegen. Stattdessen seufzte sie. „So ungefähr. Und Susan hat es mir von Anfang deutlich zu verstehen gegeben, dass ich für ihren Sohn nicht gut genug bin.“
„Und was hat Ihr Mann dazu gesagt?“
„Truman fand, ich müsse noch dazulernen, damit ich mich in seinen Kreisen bewegen könne. Er fand, ich sei wie ein ungeschliffener Rohdiamant. Und dann hat er vier Jahre lang versucht, meine Ecken und Kanten zu schleifen.“
Jake runzelte die Stirn. „Ich finde Sie goldrichtig.“
Er nahm ihre Hand und drückte sie aufmunternd. Ihr Körper reagierte, als hätte Jake sie gestreichelt. Sie schluckte.
„Sie glauben doch nicht, was er gesagt hat?“, fragte Jake, der ihr Schweigen als Selbstzweifel deutete.
„Nein, vermutlich habe ich ihm nie geglaubt. Aber ich machte damals eine schwierige Zeit durch. Und er tat so, als wäre alles nur zu meinem Besten.“
„Er hat versucht, Sie zu beeinflussen.“
Sie seufzte. „Aber er besitzt auch gute Eigenschaften. Ich weiß, dass er unseren Sohn aufrichtig liebt und ihm nie wehtun würde.“
„Das ist eine gute Eigenschaft.“ Jake klang traurig.
Aber für unsere Ehe hat es nicht gereicht, dachte Caro. Sie wechselte das Thema. „Und Sie? Fehlt Ihnen die Arbeit als Polizist?“
„Ja und nein. Ich helfe den Menschen wirklich gern und sorge für Sicherheit. Aber an manchen Tagen …“
Sie konnte sich vorstellen, dass er Schlimmes erlebt hatte. „Was war an manchen Tagen?“
„Die Arbeit ist nicht leicht. Wenn man im Dienst ist, muss man sehr auf der Hut sein. Und dann geht man nach Hause und …“
„Und kann nicht abschalten?“, beendete Caro den Satz.
Er sah sie an. „Genau. Ein paar Kollegen genehmigen sich zur Entspannung das eine oder andere Glas. Bei einigen wird es zur Gewohnheit.“
„Und sie enden als Alkoholiker?“
Er nickte.
„Und was haben Sie zur Entspannung gemacht?“, fragte sie sanft. Getrunken hatte er sicherlich nicht.
„Ich habe getischlert. Als Kind hat mir mein Vater beigebracht, wie das geht. Er hatte eine Werkstatt im Keller.“
„Mein Vater hatte auch eine Werkstatt“, sagte Caro. „Aber eigentlich hielt er sich dort nur auf, wenn er einmal seine Ruhe vor uns Frauen haben wollte.“
Jake lachte. Sein Mund sah sexy aus. „Mein Vater hat wunderschöne Möbel aus Holz gebaut. Die waren so gut, dass er sie hätte verkaufen können. Aber er hat sie an Freunde verschenkt. Für ihn war es ein Hobby, nach einem langen Arbeitstag im Büro.“
„Und Ihre Mutter?“, fragte Caro.
„Sie war Hausfrau, hat aber gelegentlich hier und da ausgeholfen. Aber sie hat Wert darauf gelegt, dass sie zu Hause war, als Dean und ich noch klein waren.“ Sein Tonfall wurde leichter. „Dean und ich fühlten uns immer benachteiligt, weil wir nur ganz selten Fastfood essen durften, während alle anderen Kinder ständig in den Hamburger-Restaurants aßen.“
„Das kenne ich gut. Das, was meine Eltern für mich getan haben, habe ich erst schätzen gelernt, als ich selbst Mutter wurde. Ich würde alles für mein Kind tun.“ Ihre Stimme klang entschlossen.
„Wenn man die Gelegenheit dazu bekommt.“
„Wie meinen Sie das?“, fragte Caro.
Er schüttelte den Kopf. Sie sah den Schmerz in seinen Augen aufflackern, dann räusperte er sich. „Mein Dad war auf jeden Fall ein guter Lehrer, wenn man als Schüler Geduld mitbrachte. Tischlern braucht seine Zeit. Dean hatte nie die Geduld, eine Arbeit zu Ende zu bringen.
„Sie aber schon.“
Caro war längst klargeworden, dass Jake und Dean sich äußerlich zwar sehr ähnlich waren, vom Charakter her aber unterschiedlicher nicht sein konnten. Dean war spontan und kontaktfreudig, Jake vorsichtig und zurückhaltend. Trotzdem saß er mit einer fast fremden Person in der Küche, trank Kakao mit Schnaps und tauschte Geheimnisse aus.
Vielleicht waren die Brüder gar nicht so verschieden? überlegte Caro. Jake war nicht so reserviert, wie es auf den ersten Blick den Eindruck machte. Er hatte sie damit überrascht, dass er ihr so offenherzig aus seinem Leben erzählte. Allerdings hatte sie es nicht weniger überrascht, dass sie selbst so viel von ihrem eigenen Leben preisgab.
Eigentlich entsprach das gar nicht ihrer Art. Nicht einmal ihren engsten Freunden hatte sie die traurigen Einzelheiten ihrer Ehe mit Truman anvertraut. Warum also Jake? fragte sie sich. Und da gab es noch so viel, das sie von ihm wissen wollte. „Was haben Sie nach einem harten Arbeitstag
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