Julia Extra Band 361
haben“, erwiderte sie spröde. Sie hörte sich an, als wäre sie den Tränen nahe. Auf keinen Fall wollte er, dass sie jetzt weinte. Er wäre sich wie ein noch größerer Schuft vorgekommen.
Sie strich sich das Haar aus dem Gesicht. Zu gern hätte er die seidigen Locken berührt. Er ließ ihre Schultern los, ballte die Hände zu Fäusten und zog sie hinter den Rücken. So konnte er keine weitere Dummheit begehen.
„Ich habe Sie nicht gezwungen, aber …“
„Sie haben recht“, unterbrach sie ihn. „Das war wirklich keine gute Idee.“
„Wir kennen uns ja kaum“, stimmte er zu, obwohl er darin in Wahrheit keinen Hinderungsgrund erkannte.
Sie schüttelte den Kopf und verkündete mit fester Stimme: „Von Rechts wegen bin ich immer noch verheiratet, Jake.“
7. KAPITEL
Caro stand am nächsten Morgen in aller Frühe am Fenster des Zimmers und betrachtete die Landschaft. Der Gasthof befand sich auf einer Lichtung inmitten eines Waldes. Im Hintergrund konnte sie die zerklüfteten Berge erkennen. Soweit das Auge reichte, lag alles unter einer dicken Schneedecke verborgen.
Kurz nach der Dämmerung war sie von Kinderstimmen und dem Geräusch kleiner Füße geweckt worden. Jillian und Riley liefen durchs Haus. Caro hörte das Knarren der Treppe und wusste, dass sie auf dem Weg nach unten waren. Doch einen Moment später wurden die Kinder von ihrer Großmutter leise wieder zurückgerufen. Caro hielt ein Kissen an ihre Brust gepresst, während sie in Jakes Bett lag und den aufgeregten Rufen der Kinder und den Versuchen der Erwachsenen lauschte, sie zum Schweigen zu bringen. Die Kinder hatten sogar laut geflüstert. Caro hätte gleichzeitig lachen und weinen mögen – auch Cabot flüsterte laut.
Caro hätte so gern zum Telefon gegriffen und ihren Sohn angerufen. Ihr wäre es egal gewesen, wenn sie damit das ganze Haus der Wendells geweckt hätte. Aber mit der Stromversorgung war auch das Telefonnetz zusammengebrochen. Da auch ihr Handy keinen Empfang hatte, gab es für sie keine Möglichkeit, Cabot anzurufen. Sie konnte ihn nicht beruhigen und ihm versichern, dass sie so bald wie möglich wieder bei ihm sein würde.
Mommy, wo bist du?
Das hatte er sie am Tag zuvor, während des viel zu kurzen Telefonats gefragt. Die Frage hatte ihr das Herz zerrissen. Cabot war ihr ein und alles. Also blieb Caro in ihrem Zimmer, lange nachdem Jillian und Riley die Ostereier gefunden hatten. Sie dachte darüber nach, was gestern Nacht geschehen war.
Jake hatte sie geküsst. Aber was sie so erschreckte, war nicht die Tatsache, dass sie es zugelassen hatte. Nein, sie hatte seinen Kuss vielmehr erwidert! Und dabei hatte sie so viel Leidenschaft in den Kuss gelegt, dass sie beide vor Verlangen gezittert hatten.
Sie hatte beinahe schon vergessen gehabt, wie sich Verlangen anfühlte. Allerdings musste sie sich eingestehen, dass ihr Verlangen noch nie so groß gewesen war wie gestern Nacht. Vielleicht war das der Grund, warum sie gegen jede Vernunft einen zweiten Kuss von ihm gefordert hatte. Und sie hatte das Gefühl genossen, seinem Mund und seinem starken Körper so nah zu sein.
Sie durfte es nicht zulassen, einen Mann so zu küssen, ganz gleich wie zerrüttet ihre Ehe mit Truman auch sein mochte. Und sie durfte es schon gar nicht zulassen, dass sie weit mehr für Jake empfand.
Sie schloss die Augen, aber es half nichts. Noch immer sah sie Jakes Gesicht vor sich, als sie ihm gestanden hatte, dass sie von Rechts wegen verheiratet sei.
Sie hatte damit gerechnet, dass er verärgert reagieren oder ihr keinen Glauben schenken würde. Aber dann war ein Ausdruck der Verzweiflung und des Verrats über sein Gesicht gezogen, der sie überrascht hatte. Plötzlich waren seine Gesichtszüge hart geworden, wie eine Maske, die sie nicht hatte durchdringen können.
„Sie sind nicht geschieden?“, hatte er langsam gesagt.
„Nein. Truman und ich sind noch verheiratet.“
„Aber Sie leben getrennt.“
„Das haben wir. Mein Sohn und ich haben einige Monate in einer kleinen Wohnung in Montpelier gewohnt.“
Nur langsam war die Anspannung aus Jakes Schultern gewichen. „Aber Sie wollen sich scheiden lassen?“
„Das hatte ich vor.“
Er schüttelte den Kopf. „Was soll das für eine Antwort sein? Wollen Sie sich nun scheiden lassen?“
„Nein.“ Das Wort war ihr nur schwer über die Lippen gegangen. „Jake, ich …“
Sie konnte keine Erklärung hervorbringen, denn er hob die Hand und bedeutete ihr zu schweigen. „Das reicht.
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