Julia Extra Band 361
Sie die kurze Antwort? Als es ans Eingemachte ging, hat sie gekniffen und die Koffer gepackt.“
Caro räusperte sich. „Und die lange Antwort?“
Seine blauen Augen verengten sich. Doch er schien eher nachdenklich als misstrauisch zu sein.
„Ich rede nicht gern darüber.“
„Ach so, verstehe. Ich wollte nicht neugierig sein.“
Er starrte sie unverwandt an. Sie wollte gerade zu einer weiteren Entschuldigung ansetzen, als er sagte: „Sind Sie sicher, dass Sie die Geschichte hören wollen?“
„Nur wenn Sie sicher sind, dass Sie sie erzählen wollen.“
Er legte den Kopf schief. „Wieso habe ich bloß den Eindruck, dass Sie eine wirklich gute Zuhörerin sind, Caro Franklin?“
„Nun, ja, so ist es auch. Das ist sozusagen mein Beruf.“
Er sah sie erstaunt an. „Seelenklempnerin?“
„Vertrauenslehrerin. Die Schüler kommen zu mir, wenn sie Probleme haben.“
Seine blauen Augen blinzelten. „Ach ja?“
„Überrascht Sie das?“, fragte sie leicht pikiert.
„Das hatte ich nicht erwartet.“
„Meine Arbeit oder die Tatsache, dass ich überhaupt arbeite?“, wollte Caro wissen.
„Beides“, gab er zu.
„Sie sind ganz schön voreingenommen.“
„Wahrscheinlich haben Sie recht“, sagte Jake. „Also: Wo arbeiten Sie als Vertrauenslehrerin?“
An der Privatschule hatte sie mit ihrer Arbeit gut verdient, und die Stelle hatte ihr obendrein gut gefallen. Als sie den Schulleiter gefragt hatte, ob sie die Elternzeit um ein paar Monate verlängern dürfe, hatte er ihr versichert, dass er den Arbeitsplatz für sie freihalten würde. Truman hingegen war da etwas anderer Meinung gewesen.
„Im Moment unterrichte ich an einer staatlichen Schule und warte auf eine Vollzeitstelle. Bevor ich meinen Mann verlassen habe, hat er den Brunnen in meiner alten Schule vergiftet.“
„Wie darf ich das verstehen?“, fragte Jake.
„Vielleicht ist das Wort vergiftet nicht ganz treffend. Er hat der Schule eine großzügige Spende gemacht.“ Tatsächlich war die Spende so großzügig gewesen, dass der neue Flügel der Schule den Namen Wendell tragen sollte. „Sagen wir es einmal so: Seine Familie besitzt so viel Geld und so gute Beziehungen, dass die Menschen ihre Versprechen vergessen, wenn sie den Wendells ungelegen kommen.“
Caro musste unweigerlich an Trumans Worte denken:
Ich habe es nur zu deinem Besten getan, Caroline. Du musst nicht arbeiten gehen. Du musst zu Hause bleiben, bei unserem Sohn. Ich werde für euch beide sorgen.
Die alte Traurigkeit stieg wieder in ihr hoch. Truman hatte nie erkannt, wie erdrückend seine angebliche Fürsorge sein konnte.
„So hatten Sie sich Ihr Leben nicht vorgestellt, oder?“, fragte Jake.
Obwohl er ihr die Frage gestellt hatte, hatte Caro den Eindruck, dass er damit auch seine eigene Ehe meinte.
„Nein“, gab sie zu. „Ich hatte eher an glücklich bis an ihr Lebensende gedacht.“
Jake schnaubte verächtlich. „Eigentlich hatte ich dieses Märchen nie geglaubt. Aber dann lernte ich Miranda kennen.“
„Darf ich fragen, was sie für ein Mensch war?“
„Ganz anders als ich, so viel ist klar. Aber auch anders als jeder Mensch, den ich kenne.“ Er rieb sich mit der Hand übers Kinn. „Wir hatten andere Interessen, Werte …“ Ein Muskel zuckte in seinem Gesicht.
„Vielleicht ziehen Gegensätze sich eben an …“ Caro sagte es eher als Frage.
„Das macht das Leben nicht gerade leichter. Wie soll man mit den Problemen des Lebens fertig werden, wenn man nie an einem Strang zieht?“
Caro nickte. Sie kannte das nur zu gut aus ihrer Ehe mit Truman.
Jake nippte an seinem Getränk. „Miranda mochte meinen Beruf nicht. Seltsam eigentlich, denn so hatten wir uns kennengelernt. Ich war Polizist, und wir wurden uns bei dem Polizeiball vorgestellt, auf dem jedes Jahr Spenden für Kinder in Not gesammelt werden.“
Jake war also Polizist. Dieser Beruf passte hervorragend zu ihm. Allerdings hatte er von seinem Beruf in der Vergangenheitsform gesprochen.
„Warum haben Sie Ihren Beruf aufgegeben?“, hakte Caro nach.
„Sie hören wirklich genau zu.“ Wieder zuckte der Muskel in seinem Gesicht. „Es ist etwas … passiert, als ich das Kommando hatte. Ein tragischer Fehlschlag, bei dem zwei unschuldige Menschen ihr Leben lassen mussten.“ Er atmete hörbar aus.
„Wie schrecklich.“ Caro musste sich zusammenreißen, um nicht seine Hand zu nehmen. Sie vermutete, dass er kein Mitleid von ihr wollte, ganz gleich, wie aufrichtig sie es meinte. „Sie
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