Julia Extra Band 361
angelegentlich damit, die Kamera wieder in der Tasche zu verstauen. „Vielleicht schaffe ich es ja nicht. Die Konkurrenz ist groß. Ich mache mir keine Illusionen.“
„Wo würdest du dich niederlassen wollen?“
„London. Aber wenn erst die Aufträge hereinkommen, werde ich sicher viel reisen. Vielleicht veröffentliche ich ja eines Tages sogar einen Fotoband, einen von diesen schweren Folianten, die in jedem Haus auf dem Wohnzimmertisch liegen.“ Sie lächelte ihn an. „Dann kannst du sagen, dass du mich gekannt hast, bevor ich berühmt wurde.“
„Du wirst sicher Erfolg haben. Irgendwie scheinst du immer auf die Füße zu fallen.“
Sie steckte sich eine Strähne hinter Ohr. „Und du? Was machst du mit diesem Anwesen, wenn es erst dir gehört? Wirst du deinen Firmensitz hierher verlegen?“
Er hielt ihren Blick gefangen. „Noch steht nicht fest, ob ich es erbe oder nicht. Es wäre unnütz, jetzt schon Pläne zu machen. Ich warte lieber ab.“
Sienna runzelte die Stirn. „Du traust mir nicht.“
„Dir wird doch klar sein, dass dieser Besitz fünf- oder sechsmal so viel wert ist wie die Summe, die du erhältst. Weshalb also sollte ich dir trauen?“
„Stimmt. Weshalb?“ Vernichtend sah sie ihn an.
Zischend stieß er die Luft durch die Zähne. „Sienna, ich weiß, ich habe mich geirrt, was dich betrifft. Aber ich wäre ein Trottel, wenn ich es jetzt für selbstverständlich erachten würde, dass die Bedingungen des Testaments erfüllt werden. Wir sind nicht einmal eine Woche verheiratet. Wer kann sagen, was du in sechs Wochen denkst, geschweige denn in sechs Monaten?“
Sie funkelte ihn an. „Auch in sechs Monaten werde ich dich noch immer hassen.“
„Umso besser.“ Er wandte sich schon halb ab, um in die Weinberge zurückzugehen. „Das wird uns das Ende sehr erleichtern.“
Nachdem sie aus der Provence zurückgekehrt waren, sah Sienna nicht viel von Andreas. Frühmorgens verließ er das Haus und kam erst wieder zurück, wenn sie längst eingeschlafen war. Es ärgerte sie, dass er sie sich selbst überließ und nur über die Haushälterin mit ihr kommunizierte oder ihr knappe Textnachrichten schickte. Sie kam sich vor wie der unerbetene Gast, der schon viel zu lang geblieben war.
Eigentlich war sie ja nichts anderes. Andreas hatte sein Leben bereits geplant, und sie gehörte nicht dazu. Sie war die Letzte, die er geheiratet hätte. Doch das Testament seines Vaters hatte alles geändert, genau wie der eine kurze Moment der Intimität zwischen ihnen. Seither hielt Andreas nämlich den größtmöglichen Abstand zu ihr.
Gut möglich, dass er bereits eine andere gefunden hatte, die seine Bedürfnisse befriedigte. Es gab genügend Frauen, die sich darum rissen, seine Geliebte zu werden. Würde Sienna jetzt für die gesamte Dauer dieses Arrangements so tun müssen, als würde sie nichts merken? Wandte er diese Taktik an, damit sie aufgab? Sie hatte viel zu verlieren, während er die Zeit nur auszusitzen brauchte, um dann sein Erbe anzutreten. Vermutlich war ihre Unerfahrenheit für jemanden wie ihn einfach nur abstoßend, und er konnte es kaum abwarten, sie endlich loszuwerden.
Sienna war ziemlich sicher, dass Elena genau wusste, dass das frisch verheiratete Paar sich nicht das Schlafzimmer teilte, aber die Haushälterin war zu diskret, um eine Bemerkung fallen zu lassen.
Dafür hatte Elena etwas von einer Design-Kollektion erwähnt, an der Andreas arbeitete, in Auftrag gegeben von einem reichen amerikanischen Geschäftsmann, und erklärt, wie viel Zeit eine solche Auftragsarbeit verschlang. „Er schläft kaum, wenn er an einem solchen Projekt arbeitet, die meiste Zeit verbringt er dann in seinem Büro. Aber wenn er fertig ist, kann er sich wieder entspannen, si ? Sie müssen sich einsam fühlen, den ganzen Tag allein …“
„Ich bin nicht einsam“, behauptete Sienna. „Scraps leistet mir doch Gesellschaft.“
Elena lächelte mütterlich. „Es wird einfacher, wenn Sie ein oder zwei bambini haben, die Sie beschäftigt halten.“
Hastig verdrängte Sienna jegliche Gedanken an süße dunkelhaarige Babys mit grünbraunen Augen, malte sich stattdessen die Luxuswohnung in London aus, komplett mit Studio und Garten, und zählte die Nullen hinter der Zahl auf ihrem Bankkonto.
Das war das Ziel, das sie anstrebte, nicht Babys.
Andreas stand im salone und nippte an einem Aperitif, als Sienna zum Dinner nach unten kam.
„Ehrlich gesagt, ich hätte erwartet, dass du dich von Elena
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