Julia Extra Band 361
gefragt, wie es wohl sein mochte, sie richtig zu lieben? Hatte er von ihr geträumt, so wie sie von ihm geträumt hatte? Es war unmöglich zu erraten, was er dachte und fühlte. Es war nie seine Art gewesen, Gefühle zu zeigen. Überhaupt hatte sie ihn nur selten lachen sehen.
Sacht strich er ihr über die Wange. „Ich habe die Grenzen überschritten und die Regeln gebrochen, dafür übernehme ich die volle Verantwortung. Ich verspreche dir, es wird nicht wieder vorkommen – außer, du möchtest es. Wenn du dir eine sechsmonatige Affäre wünschst, werde ich es natürlich in Betracht ziehen.“
Natürlich, dachte Sienna zynisch. Sie wäre der zur Verfügung stehende Zeitvertreib für ihn, mehr nicht. Genau wie ihre Mutter es für seinen Vater gewesen war. Und danach würde er sich nach der passenden Schönheit mit dem passenden Stammbaum umsehen und seine Nobelvilla mit den passenden Erben füllen.
Und wie sollte sie damit fertig werden?
So, wie sie mit allem fertig wurde – mit gereckten Schultern und hoch erhobenem Kinn. Sie würde ihn mit den eigenen Waffen schlagen. Sie würde ihm zeigen, dass sie ebenso hart und skrupellos sein konnte wie er. Und wenn die Zeit kam, würde sie ohne einen Blick zurück gehen – zumindest, ohne dass er etwas davon zu sehen bekam. „Ich glaube nicht, dass eine Affäre zwischen uns funktioniert. Es ist besser, wenn wir uns an die aufgestellten Regeln halten.“
Falls ihn ihre Antwort überraschte oder enttäuschte, so ließ er sich nichts anmerken. „Wie du willst.“ Er stand von der Bettkante auf. „Ich habe einige Dinge mit Jean-Claude zu besprechen. Wir sehen uns dann heute Abend.“
„Ich werde sicherlich etwas finden, mit dem ich mich ablenken kann. Vielleicht ein Wildschein, das ich zähmen kann.“
Seine Lippen zuckten. Dann sagte er: „Ich habe deine Kamera gesehen. Ich dachte immer, du stehst lieber vor der Linse anstatt dahinter.“
„Das zeigt nur wieder, dass du mich nicht kennst, nicht wahr?“
Für einen Moment schaute er sie nachdenklich an. „Kennt dich überhaupt jemand, ma petite ?“
Sienna zuckte mit den Schultern. „Ich habe genügend Freunde.“
„Man kann Hunderte von Freunden haben, das heißt nicht, dass auch nur einer davon weiß, wer man wirklich ist.“
„Weiß irgendjemand, wer du bist, Andreas? Es muss doch Unmengen von Frauen geben, die alles tun, um dir zu gefallen. Oder Diener, die sich ständig vor dir verbeugen und dir jeden Wunsch von den Lippen ablesen.“
„Der Fluch des Reichtums – man ist nie allein. Alle suchen deine Nähe, nur weißt du nie, ob du es bist, den sie mögen, oder dein Geld.“
„Ich würde sofort mit dir tauschen“, behauptete Sienna. „Wer braucht schon Freunde, wenn er haufenweise Geld hat?“
Durchdringend musterte er sie. „Ist das deine Ansicht, Sienna? Glaubst du wirklich, Geld mache glücklich?“
„Das sage ich dir in einem halben Jahr, nachdem das Geld auf meinem Konto eingegangen ist.“ Sie nahm das Croissant wieder auf. „Allerdings muss ich gestehen, würde noch ein Château mit in den Topf geworfen, wäre ich noch glücklicher.“
Andreas presste die Lippen zusammen. „Das Schloss kriegst du nicht.“
„Reg dich wieder ab, das war nur ein Scherz. Ich will dein kostbares Château nicht. Wahrscheinlich spuken all deine verstaubten Ahnen hier herum.“
„Versuch, nichts Dummes anzustellen“, knurrte er mit gerunzelter Stirn. „Und wenn du auf jemanden triffst, denk daran: Wir sind in den Flitterwochen.“
Sie zog eine Augenbraue in die Höhe. „Du bist derjenige, der sich bei der ersten Gelegenheit in die Arbeit stürzt.“
Sein Blick verbrannte sie schier. „Hast du es dir schon anders überlegt, cara ?“
„Nein, noch nicht. Du kannst mir nicht geben, was ich will.“
Er legte die Hand an ihre Wange. „Was willst du, Sienna? Ein Versprechen auf immer?“
„Natürlich nicht.“ Sie musste an sich halten, um nicht zu blinzeln. „Keiner von uns beiden ist der Typ für ein ‚Auf immer‘.“
„Für eine Weile könnten wir aber gut zusammen sein“, raunte er. „Es wäre doch schade, die Situation ungenutzt verstreichen zu lassen, meinst du nicht auch? Du und ich, beide allein und ganz offiziell verheiratet …“
Sienna konnte nicht klar denken, wenn er sie so ansah. Mit seinem Blick versprach er ihr das Paradies der Sinnlichkeit. Und wie lange würde sie dazu noch Nein sagen können, vor allem, nachdem sie gestern eine kleine Kostprobe erhalten hatte?
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