Julia Extra Band 361
uns ja, nach dieser Zeit als Freunde auseinanderzugehen. Hältst du das für möglich?“
Mit aller Macht musste sie sich zusammennehmen, um sich nichts von der aufglimmenden Hoffnung anmerken zu lassen. „Du als Freund? Ich weiß nicht … Dann muss ich mir wohl jemand anders suchen, an dem ich meine Krallen wetzen kann.“
„Ich wette, mit einem anderen macht es nur halb so viel Spaß.“ Andreas ließ die Hand sinken, seine Miene war nicht zu deuten.
Sienna hatte das verrückte Gefühl, dass er sich nicht nur auf den verbalen Schlagabtausch bezog. Noch verrückter war es, dass sie sich plötzlich nicht mehr vorstellen konnte, einen anderen Mann zu küssen. Oder sich von einem anderen Mann umarmen zu lassen. Oder mit einem anderen Mann zu schlafen.
Nur mit Andreas.
Sie riss sich zusammen. Er wollte das Château, nicht sie. Und in sechs Monaten hatte er, was er wollte.
„Wir sollten uns zum Dinner setzen.“ Auch er schien sich zur Ordnung zu rufen. „Hinterher muss ich wieder an die Arbeit zurück.“
„Machst du eigentlich je Pause? Du kannst dieses Tempo unmöglich wochenlang durchhalten. Das ist ungesund.“
Er fuhr sich mit der Hand durchs Haar. „Da läuft gerade ein riesiges Projekt, eine Menge Leute sind von mir abhängig. Mein Vater hätte zu keiner unpassenderen Zeit sterben können.“
„Er ist sicherlich nicht absichtlich jetzt gestorben“, erwiderte sie trocken.
„Darauf würde ich nicht wetten“, meinte er grimmig.
„Du hast ihn doch nicht wirklich gehasst, oder?“, fragte sie leise.
Lange schaute er sie an, dann stieß er die Luft durch die Zähne. „Als kleiner Junge habe ich ihn vergöttert. Mein größter Wunsch war es, genauso zu werden wie er. Doch als ich älter wurde, erkannte ich seine dunkle Seite. Er war ein Egoist, der sich skrupellos nahm, was er wollte. Meine Mutter hat ihn geliebt, und er nutzte das weidlich aus. Ich glaube, wirklich geliebt hat er sie nie. Er hat sie geheiratet, weil er wusste, dass sie sein Verhalten akzeptieren würde, ohne ihn je infrage zu stellen. Sie hätte ihn verlassen sollen, als sie von seiner Affäre mit deiner Mutter erfuhr, aber sie tat es nicht. Sie ist bis zum bitteren Ende bei ihm geblieben.“
„Das klingt, als hätte er dich davon abhalten wollen, den gleichen Fehler zu machen.“
Andreas kniff die Augen zusammen. „Was meinst du?“
„Portia Perfekt. Die Ehefrau, die ihren Mann nie infrage stellt, die alles akzeptiert und wegschaut, wenn ihr Göttergatte sich ab und zu anderweitig vergnügt. Das war doch die Art Ehe, die dir vorschwebte, oder nicht?“
„Du hast ja keine Ahnung, wovon du redest.“ Böse runzelte er die Stirn und marschierte zur Tür. „Ich hab’s mir anders überlegt, ich lasse das Dinner ausfallen und fahre direkt ins Büro. Wir sehen uns dann.“
Als Andreas am nächsten Abend in die Villa kam, musste er feststellen, dass Sienna nicht da war. Ohne sie wirkte das Haus völlig anders. Der Duft ihres Parfüms hing nicht in den Räumen, die Kissen auf dem Sofa waren alle ordentlich aufgestellt, nirgendwo standen benutzte Tassen oder Gläser, und weder der Fernseher noch die Stereoanlage plärrte. Es war still und friedlich und aufgeräumt – und steril.
Wie dein Leben .
Sofort verdrängte er den Gedanken, griff nach dem Telefon und wählte ihre Handynummer. „Wo bist du?“, fragte er ohne Einleitung, als sie sich am anderen Ende meldete.
„Auf dem Rückweg. Ich brauche noch ungefähr zehn Minuten.“
„Auf dem Rückweg … woher?“
„Ich … äh … war beim Arzt.“
Sein Herz setzte einen Schlag lang aus. „Wieso? Was ist passiert? Bist du krank?“
„Nein, nicht direkt …“
Das Zögern in ihrer Stimme war nicht zu überhören. „Was ist los?“
„Ich hatte so etwas wie einen Unfall … Eine Wunde an meiner Hand musste genäht werden … Aber es ist nichts Ernstes.“
„Ein Unfall …?“ Schon wieder geriet sein Herzschlag ins Stocken.
„Mit mir ist alles in Ordnung. Du musst mir versprechen, dass du Scraps nichts tust …“
Andreas hielt das Telefon so fest, dass seine Knöchel weiß hervortraten. „Der Köter hat dich gebissen?!“
„Es war meine Schuld. Ich habe Desinfektionsmittel auf sein verletztes Bein gegeben. Er hat nicht aus Bösartigkeit nach mir geschnappt, sondern weil es ihm so wehtat.“
„Ich habe dich gewarnt, dass du von dem Hund wegbleiben sollst. Kannst du überhaupt selbst fahren? Warum hast du nicht Franco gebeten, dass er dich fährt? Parke
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