Julia Extra Band 361
gemeinsame Zukunft vor sich.“
Als sie wieder an ihrer Lippe kaute, legte er ihr die Hand an die Wange und rieb mit dem Daumen über ihre Unterlippe, doch sie drehte den Kopf weg. „Was ist los, ma petite ?“
„Ich bin einfach nur albern und sentimental. Hochzeiten haben nun mal diese Wirkung auf mich.“
„Die Zeremonie war wirklich bewegend“, gestand Andreas ein. „Jeder kann sehen, dass die beiden zusammengehören. Eine strahlendere Braut als Gisele habe ich nie gesehen.“
„Sie ist schwanger. Mit Zwillingen.“
„Das ist ja großartig. Du musst dich sehr für sie freuen.“
„Ich … es ist nur …“ Sie senkte den Blick.
„Ja? Was ist es nur?“, hakte er nach.
Sie blinzelte, dann wurde ihr Blick wieder klar. „Nur gut, dass du es mit der Verhütung so genau nimmst.“ Sie befreite sich ruckartig aus seinem Griff. „Kannst du dir die nervtötenden Gören vorstellen, die wir bekommen würden? Wenn es Zwillinge wären, würden sie sich wahrscheinlich schon im Mutterleib ständig streiten.“
Ein seltsames Gefühl zerrte plötzlich an Andreas. Er stellte sich Sienna mit einem gewölbten Bauch vor, rund und prall, weil zwei kleine Mädchen mit silberblondem Haar oder zwei kleine Jungen mit schwarzem Schopf in ihr heranwuchsen. Er stellte sich vor, wie er die Babys auf seinen Armen halten würde, je ein Baby auf einer Seite. Er würde sie lieben und beschützen bis zu seinem letzten Atemzug …
Hier zog er die Notbremse und brach den Gedanken abrupt ab. In ein paar Monaten würde er genau das haben, was er immer hatte haben wollen: Er bekam das Château und Sienna ihr Geld. Er konnte es wirklich nicht gebrauchen, ständig an sie gebunden zu sein. Diese Ehe war aus lauter falschen Gründen geschlossen worden, und die Leidenschaft würde sich sicher in nächster Zeit legen.
Sie musste sich legen. Er würde sich nicht zum Sklaven der Lust machen lassen.
„Wir sollten uns wieder unter die Gäste mischen“, sagte er rau. „Man wird sich schon wundern, wo wir geblieben sind.“
12. KAPITEL
Erst spät kehrten Sienna und Andreas in ihr Hotelzimmer zurück. Sienna kickte sofort die Schuhe von den Füßen und schleuderte ihren Mantel auf einen Stuhl. Sie war müde, fühlte sich überdreht und angespannt. Andreas düsteres Schweigen besserte ihre Laune auch nicht gerade. Schon während des restlichen Empfangs hatte er kaum noch mit ihr gesprochen. Sicher, er hatte sie zum Tanzen aufgefordert, aber das war auch nur Show gewesen, so wie die ganze Beziehung.
Ihre Ehe war eine Lüge. Eine Farce. Sienna kam sich vor wie eine Betrügerin. Wie hatte sie sich auf etwas einlassen können, das nichts mit ihren Träumen und Hoffnungen zu tun hatte? Sie konnte so nicht weitermachen. Wie lange würde es wohl dauern, bis Andreas die Wahrheit erkannte? Bis alle die Wahrheit erkannten? Sie würde zum Objekt des allgemeinen Mitleids werden, genau wie ihre Mutter. Man würde sie als die Frau bezeichnen, die es nicht schaffte, einen Mann zu halten.
„Ich gehe noch mal raus.“ Andreas’ Stimme riss sie aus ihren Gedanken.
„Jetzt noch?“ Sie runzelte die Stirn. „Es ist nach ein Uhr nachts.“
„Ich brauche frische Luft.“
Sie zuckte scheinbar ungerührt mit den Schultern, zog die Haarnadeln aus dem Chignon und warf sie achtlos auf den Schminktisch. „Glaub nicht, dass ich wach bleibe und auf dich warte.“
Schweigen.
„Ich muss für ein paar Tage nach Washington“, sagte Andreas in die Stille hinein. „Franco wird dich morgen früh abholen.“
„Du willst nicht, dass ich mitkomme?“ Im Spiegel schaute sie zu ihm hin.
Seine Miene war völlig ausdruckslos. „Ich werde ständig in Meetings sitzen. Der Geschäftsmann, für den ich im Moment arbeite, möchte, dass ich mich mit einem seiner Kollegen treffe.“
Sienna hasste das Gefühl, ausrangiert zu werden wie eine Geliebte, die ihren Reiz verloren hatte. Ob ihre Mutter sich auch so gefühlt hatte? Betrogen, ungeliebt, abgeschoben?
Wertlos.
Ihr Herz krampfte sich schmerzhaft zusammen. Sie bedeutete ihm nichts. Wieso hatte sie es so weit kommen lassen? Sie hatte gegen jedes ihrer eigenen Prinzipien verstoßen. Er hatte sie nur benutzt, um zu bekommen, was er wollte, und jetzt, da sie seinen Verführungskünsten erlegen war, fühlte er sich sicher. Wenn sie ihn jetzt verließ, würde er trotzdem sein vermaledeites Schloss bekommen. Das war schließlich das Einzige, was er je gewollt hatte. Sie war eine alberne Närrin gewesen, sich
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