Julia Extra Band 361
Lippenstift.
„Bereust du es, nur eine kleine Hochzeit gehabt zu haben?“
„Nein, wieso sollte ich?“
Gisele sah die Schwester im Spiegel an. „Ich habe deinen Blick bemerkt, als Mum mir mit dem Hochzeitskleid geholfen hat. In deinen Augen lag diese unglaubliche Trauer. Da ist mir bewusst geworden, wie schwer es für dich gewesen sein muss, bei deiner Hochzeit deine Mutter nicht mehr zur Seite gehabt zu haben. War das der Grund für die schlichte Hochzeit?“
Der Lippenstift landete klappernd auf dem Schminktisch. „Ich bin nicht wie du, Gisele. Ich habe mir nie eine große Hochzeit gewünscht. Erstens wäre ich eine Katastrophe bei der Organisation, und zweitens würde ich mir bestimmt auf dem Weg zur Kirche das Kleid ruinieren.“
Lächelnd steckte Gisele der Schwester die vorwitzige Strähne, die sich aus der eleganten Frisur gelöst hatte, hinters Ohr. „Du tust Andreas gut. Beim gestrigen Dinner habe ich gemerkt, dass er manchmal recht steif und formell sein kann. Vermutlich ist das die Erziehung in einem reichen Elternhaus. Aber wie er dich ansieht … Er kann sein Glück wohl noch immer nicht fassen, dass er jemanden wie dich gefunden hat. Jemanden, der ihn liebt, so wie er ist, und nicht sein Geld.“
Sienna griff nach dem Rouge, auch wenn ihre Wangen bereits ganz von allein rot geworden waren. „Wir tun einander gut. Wir können froh sein, dass wir uns gefunden haben.“ Selbst wenn es nur für ein paar Monate ist .
„Er wird ein großartiger Vater sein“, meinte Gisele. „Habt ihr schon über die Familienplanung gesprochen?“
Sienna wandte den Blick ab. „Nein … so weit sind wir beide noch nicht.“
„Schade.“ Gisele lächelte selig. „Ich hatte gehofft, das wäre der Grund, weshalb ihr so schnell geheiratet habt. Es wäre schön, wenn wir beide gleichzeitig schwanger wären.“
Sienna schwang herum. „Du bist schwanger?“
Gisele strahlte. „Ja. Emilio platzt vor Stolz. Außer Mum und dir weiß noch niemand davon. Wir bekommen Zwillinge.“
„Zwillinge!“ Sie fasste Giseles Hände und bemühte sich verzweifelt, den Stich zu unterdrücken. Sie hatte kein Recht, neidisch zu sein. Es war abscheulich. Egoistisch. Sie wüsste ja gar nicht, was sie mit einem Baby anfangen sollte. Bisher hatte sie nicht einmal eines auf dem Arm gehalten.
Dennoch wallte heiße Sehnsucht in Sienna auf und legte sich wie ein eiserner Ring um ihr Herz. Doch Andreas hatte bereits deutlich gemacht, dass sie als Mutter seiner Kinder nicht infrage kam. Jedes Mal, wenn sie sich liebten, achtete er peinlich genau auf den Schutz. „Weißt du schon, ob es eineiige Zwillinge sind? Jungen oder Mädchen?“
„Eineiige Jungen.“ Gisele legte schützend die Hand auf ihren Bauch. „Nachdem ich Lily verlor, dachte ich, ich würde nie wieder eine Schwangerschaft wagen. Doch dieses Mal wird es anders verlaufen. Ich fühle es.“
Hilary kam ins Zimmer, fertig frisiert und ganz die stolze Mutter der Braut. „Bereit, Liebling?“, fragte sie Gisele. „Emilio wartet schon voller Ungeduld auf seine wunderschöne Braut.“
Sienna reichte Gisele den Brautstrauß und setzte ein glückliches Lächeln auf. Innerlich jedoch fühlte sie sich, als würde sie in tausend kleine Fetzen zerrissen.
Sie hatte bereits den Traum von der Liebe aufgegeben. Musste sie auch darauf verzichten, jemals Mutter zu werden?
Andreas stockte der Atem, als Sienna neben ihrer Schwester das Mittelschiff entlangschritt. In dem cremefarbenen langen Satinkleid und mit der eleganten Hochsteckfrisur sah sie atemberaubend aus. So wie die Braut auch.
Er riss den Blick von Sienna und musterte Gisele. Vor dem Dinner gestern Abend hatte er nur Fotos von ihr gesehen. Die Ähnlichkeit der Zwillingsschwestern war verblüffend. Es war, als würde er Siennas Klon ansehen. Ihm kam der Gedanke, dass Sienna so als Braut ausgesehen hätte, wenn sie unter normalen Umständen Hochzeit gefeiert hätten.
Hatte sie sich eine richtige Hochzeit gewünscht?
Das Schuldgefühl zog ihm den Magen zusammen. Träumte nicht jede junge Frau von einer Märchenhochzeit?
Die Zeremonie begann, und Andreas starrte auf das ganz offensichtlich überglückliche Brautpaar. Sienna stand an der Seite ihrer Schwester, nur konnte Andreas nicht sagen, ob das tränenfeuchte Schimmern in ihren Augen von Glück oder etwas anderem herrührte. Eigentlich wirkte sie ziemlich blass.
Es überraschte ihn, dass die Zeremonie ihn so tief bewegte. Er war vorher schon auf Hochzeiten gewesen, aber
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