Julia Extra Band 361
nackt.
Er hatte sie schon nackt gesehen. Zumindest fast nackt.
Bei der Erinnerung krümmte sie sich innerlich. Sie hatte sich gewünscht, dass er ihr „Erster“ sein würde. Hatte davon geträumt, dass er sie aus dem ärmlichen Leben, das sie und ihre Mutter führten, herausholen würde. All die Jahre, ohne zu wissen, wo sie demnächst wohnen würden. Ihre Kindheit war eine Aneinanderreihung von gepackten Koffern und Umzügen. Wieder und wieder musste sie Gewohntes zurücklassen und neue Freunde finden unter Leuten, die längst genügend Freunde hatten. Sie war sich immer wie das fünfte Rad am Wagen vorgekommen.
Das alles änderte sich, als ihre Mutter die Stelle in der Ferrante-Villa übernommen hatte. Das große Haus mit Park und Swimmingpool schien Sienna das Paradies zu sein. Es war auch das erste Mal, dass sie ihre Mutter richtig glücklich sah.
Es sollte niemals enden. Naiv wie sie war, hatte sie sich alles genau zurechtgelegt: Andreas, der Sohn des Hauses und Erbe des Vermögens, würde sich in sie verlieben und sie heiraten, und sie alle würden glücklich bis an ihr Lebensende beieinander sein. Er war der Playboyprinz, sie das arme Aschenputtel, aber die Liebe füreinander würde alle Hindernisse überwinden. Sie war entschlossen, ihn auf sich aufmerksam zu machen, war sie doch für ihn nie etwas anderes als „die Göre der Putzfrau“ gewesen. Er behandelte sie wie ein junges Hündchen, das nicht stubenrein war.
Doch an jenem Abend sollte es anders werden. Monatelang war Andreas nicht mehr zu Hause gewesen, wenn er an diesem Abend kam, würde er erkennen, wie sehr sie sich verändert hatte. Er würde die junge, sexuell reife Frau in ihr sehen, für die sie sich selbst hielt.
Sie hatte doch gemerkt, wie sein Blick ihr ständig gefolgt war, als sie geholfen hatte, das Dinner aufzutragen, hatte das Leuchten in seinen Augen bemerkt, als sie Kaffee und Likör in den Salon gebracht hatte. Seine Nasenflügel hatten gebebt, als sie seine Tasse neben ihn gestellt hatte, so als würde er ihren Duft erschnuppern. Und sie hatte gewusst, dass er sie wollte.
Also hatte sie in seinem Zimmer auf ihn gewartet. Hatte sich nur in Slip und BH auf sein Bett gelegt. Sicher, sie war nervös gewesen, aber auch erregt. Ihr ganzer Körper hatte vor Vorfreude vibriert.
Als Andreas dann die Tür öffnete und im Rahmen stehen blieb, um ihren Anblick in sich aufzunehmen, meinte sie, ihr Ziel erreicht zu haben. Doch dann schüttelte er sich leicht, als müsse er sich zusammenreißen.
„Was, zum Teufel, soll das werden? Zieh dich an und verschwinde“, knurrte er.
Sie war am Boden zerstört. Sie war doch so sicher gewesen, dass er sie wollte. Sie hatte es doch gespürt ! Und jetzt konnte sie es deutlich sehen, auch wenn er sich Mühe gab, es zu kaschieren. Sie nahm allen Mut zusammen, stand auf und ging mit ausgestreckten Armen auf ihn zu. „Ich will, dass du mit mir schläfst, Andreas. Ich weiß, dass du mich willst. Schon ewig.“
Er presste die Lippen zusammen und packte sie beim Arm. „Du irrst, Sienna. Ich habe nicht das geringste Interesse an dir.“
Genau in diesem Moment war die Tür aufgegangen …
Sienna verdrängte die Gedanken und kehrte in die Gegenwart zurück. Sie wollte sich nicht an die fürchterliche Szene zwischen Andreas und seinem Vater erinnern. Sie wollte nicht an die unverzeihlichen Lügen denken, die sie erzählt hatte. Aber sie hatte doch so schreckliche Angst gehabt, dass ihre Mutter die Anstellung verlieren würde, deshalb waren Worte aus ihr hervorgesprudelt, die sie bis zum heutigen Tage bereute …
„Da sind einige praktische Dinge zu klären.“
Sie sah auf und widerstand dem Drang, sich mit der Zunge über die staubtrockenen Lippen zu fahren. „Praktische Dinge?“
„Das Testament verlangt, dass wir als Mann und Frau zusammenleben“, sagte er. „Das heißt, du schläfst da, wo ich schlafe.“
Sienna schoss so abrupt hoch, dass der Stuhl umfiel. „Ich schlafe nicht mit dir!“
Er verdrehte entnervt die Augen. „Nicht im selben Bett, aber unter einem Dach. Wir müssen der Öffentlichkeit eine Show bieten. Wir müssen so tun, als wären wir ineinander verliebt.“
„Bist du verrückt?! Das kann ich nicht. Jeder weiß, dass ich dich hasse.“
„Das beruht auf Gegenseitigkeit“, erwiderte er trocken. „Es ist nur für sechs Monate und auch nur, wenn wir in der Öffentlichkeit sind. Wenn wir allein sind, können wir ja wieder miteinander ringen.“
Bilder, wie Andreas und
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