Julia Extra Band 363
sie sich in die Enge getrieben fühlte. Vermutlich hatte Emma das Tier provoziert, als sie daraufgetreten war. Wenn es eine Königsbraunschlange gewesen wäre, hätte ihre letzte Stunde geschlagen.
Emma versuchte, nicht an das Gift zu denken, das unaufhaltsam durch ihre Adern floss. Stattdessen sah sie sich aus ihrer sitzenden Position in der Küche um.
Wie gerne hätte sie jetzt einen Schluck von dem Wasser getrunken, das noch immer auf der Spüle stand. Doch das Glas schien meilenweit entfernt. Es war ein beunruhigendes Gefühl, so allein und hilflos auf dem Boden zu sitzen. Unbequem. Einsam.
War das der Preis, den sie für ihre Unabhängigkeit zu zahlen hatte? Die Vorstellung gefiel ihr ganz und gar nicht. Schlagartig wurde ihr bewusst, dass sie sich in den letzten Jahren mehr mit ihrem bevorstehenden Tod beschäftigt hatte als mit der Frage, wie sie eigentlich leben wollte. War es nun zu spät dafür? Gianni hatte sie davor gewarnt, ihr Leben zu verschwenden. Sie hätte eine traumhafte Affäre mit ihm genießen können, und möglicherweise wäre sogar mehr daraus geworden. Was war sie bloß für eine Idiotin!
In diesem Augenblick hörte sie die Haustür ins Schloss fallen. Grace war zurück.
Gott sei Dank. „Ich bin in der Küche, Liebling!“
Grace kam zu ihr gelaufen, ließ die Schultasche fallen und kniete sich neben ihre Mutter auf den Boden. „Warum sitzt du da unten, Mummy?“
Emma fuhr sich mit der Zunge über die trockenen Lippen. „Mich hat eine Schlange gebissen.“
Grace riss angstvoll die Augen auf. „Was für eine Schlange?“
„Eine Schwarzotter. Ich habe ihren roten Bauch gesehen. Halb so schlimm.“
„Wo denn?“
Emma deutete auf ihren rechten Fuß. „Hier, und am Knöchel.“ Doch Grace blickte weiter suchend um sich, und Emma verstand, was sie meinte. „Nicht hier drin, auf der Terrasse. Die Schlange ist weg.“
Grace seufzte erleichtert auf und wandte sich wieder ihrer Mutter zu. „Geht es dir gut?“ Ohne ihre Antwort abzuwarten, richtete sie sich auf. „Ich rufe Gianni an.“
Bemerkenswert, dass ihrer Tochter ebenfalls zuerst Gianni einfiel, nicht etwa Andy, Ben oder ihr Großvater. „Seine Telefonnummer ist in meiner Tasche. Kannst du sie mir bringen?“
Im Handumdrehen war Grace zurück, und Emma streichelte ihr beruhigend über den Arm. „Mach dir keine Sorgen. Es ist alles in Ordnung.“
Ihr Kopf drehte sich, während sie in ihrer Tasche nach dem Zettel wühlte, auf dem sie Giannis Mobilnummer notiert hatte. Endlich fand sie ihn, und Grace lief damit zum Telefon im Schlafzimmer.
Gianni wollte gerade die Klinik verlassen, als sein Handy klingelte. Etwas ungehalten nahm er den Anruf an.
„Gianni?“, hörte er eine aufgeregte Kinderstimme. „Ich bin es, Grace.“ Sein Herzschlag beschleunigte sich, als er die Angst in ihrer Stimme hörte. „Grace? Was ist passiert?“
„Mummy ist von einer schwarzen Schlange mit rotem Bauch gebissen worden.“
Die Nachricht traf Gianni wie ein Faustschlag in die Magengrube. Eine Schlange. Er wollte diesen Albtraum nicht noch einmal durchleben. Was für eine bitterböse Ironie des Schicksals.
„Wo ist deine Mutter jetzt, Grace?“
Grace zog die Nase hoch, und er merkte, dass sie sich anstrengen musste, nicht in Tränen auszubrechen. „Sie sitzt in unserer Küche auf dem Boden.“
„Mach dir keine Sorgen“, versuchte er das Kind zu beruhigen, obwohl er selbst alles andere als gelassen war. „Ich bin gleich bei euch.“ Dann rief er nach Christine, die zusammen mit Andy die Spätschicht übernommen hatte. „Emma ist von einer rotschwarzen Schlange gebissen worden. Gibt es hier in der Gegend viele Giftschlangen?“
„Du meinst wahrscheinlich eine rotbauchige Schwarzotter“, korrigierte Christine und drückte ihm einen Erste-Hilfe-Koffer in die Hand. „Normalerweise sind die für einen Erwachsenen nicht gefährlich. Bring Emma zu uns auf die Station.“
Wenige Minuten später stürmte Gianni im Laufschritt durch Emmas Hausflur, dicht gefolgt von Grace. Erleichtert nahm er zur Kenntnis, dass Emma lebte und bei Bewusstsein war. Trotz ihrer Erschöpfung lächelte sie, als sie ihn sah. Er erschien ihr wie ein rettender Engel.
„Hallo, Emma.“ Gianni kauerte sich neben sie und pfiff leise durch die Zähne, während er die rot umrandeten, blutverkrusteten Bissstellen inspizierte.
„Kein schöner Anblick.“ Er öffnete ein Verbandspäckchen und begann fachmännisch ihren Knöchel zu bandagieren. „Ich werde die
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