Julia Extra Band 363
von sich. Ist Ihnen eigentlich bewusst, dass ich überhaupt nichts über Sie weiß?“
„Ich bin eben eine geheimnisvolle Frau.“
Auf diese Antwort hin lehnte sich Radford in seinem Stuhl zurück und blickte sie prüfend an. Ein Lächeln umspielte seine Lippen. „Sie wollen mich also raten lassen, ja?“
„Ganz und gar nicht. Mein Verhältnis zu Ihrer Familie ist rein geschäftlich. Mein Privatleben ist allein meine Sache.“ Sie musste aufpassen, nicht zu viel preiszugeben. Die Zeit war noch nicht reif.
Radford blickte sie lange an. „Ich hatte gehofft, dass Sie sich heute etwas entspannen und aus sich herausgehen würden.“
„Ich bin entspannt“, antwortete Kristie. „Sehr sogar.“
„Das überrascht Sie?“
„Eigentlich schon.“
„Also merken Sie jetzt, dass ich nicht der Unhold bin, für den Sie mich hielten?“ Wieder sein Lächeln. Es war kein lüsternes oder sarkastisches Lächeln, sondern ein freundliches, warmherziges, das ihr behagte.
Kristie nahm einen Schluck von ihrem Wein. Aus irgendeinem Grund konnte sie ihre Augen nicht von den seinen wenden. Sie nahm noch einen Schluck und noch einen, und bevor sie sich versah, hatte sie das ganze Glas ausgetrunken.
Radford, der ihr gegenüber schon den ganzen Abend aufmerksam gewesen war, füllte das Glas sofort auf. Dabei näherte sich seine Hand ihrer auf gefährliche Weise.
Kristie ging davon aus, dass er sie berühren würde, doch das tat er nicht. Sein Lächeln jedoch blieb, und ihr Blickkontakt wurde erst wieder unterbrochen, als die Teller abgeräumt und ihre Desserts gebracht wurden. Beide hatten sie Himbeer-Baiser-Kuchen bestellt.
„Wir haben mehr miteinander gemeinsam, als Sie glauben“, scherzte Radford. „Mal sehen, Sie mögen Ihren Kaffee schwarz mit nur ganz wenig Zucker?“
Sie nickte.
„Ich auch. Was ist mit Tee? Mögen Sie Tee?“
„Nicht wirklich.“
„Ich auch nicht. Wir sind uns sehr ähnlich, meinen Sie nicht?“
„So weit würde ich nicht gehen“, meinte Kristie, konnte sich ein Lächeln jedoch nicht verkneifen.
Alles in allem wurde es ein vergnüglicher Abend. Doch auf dem Rückweg, in der Enge seines Wagens, konnte Kristie ihre Gefühle nicht länger im Zaum halten. Ob sie es wollte oder nicht, Radford hatte es geschafft, zu ihr durchzudringen – und deshalb war sie auch froh, als sie endlich zu Hause anlangten. Es war an der Zeit, von seiner Gegenwart erlöst zu werden.
Radford begleitete sie bis zur Haustür. „Wollen Sie noch auf einen Kaffee mit reinkommen?“, fragte sie und hielt an der unwirklichen Hoffnung fest, dass er ablehnen würde. Im Restaurant hatte er ein Glas Wein und zwei Kaffee konsumiert.
„Ist es nicht schon nach halb elf?“, fragte er und verzog keine Miene.
„Ich denke, das müssen wir heute nicht so genau nehmen.“
„Dann würde es mich freuen, Ihr Angebot anzunehmen.“
Doch in dem Moment, in dem sie die Tür öffnete, kam Ben den Flur entlanggelaufen, Tränen rannen ihm über das Gesicht. „Mummy, Mummy“, jammerte er. „Ich habe gewartet auf dich!“
Kristie hörte, wie Radford überrascht nach Luft schnappte.
„Benny, mein Schatz, was ist los?“ Kristie bückte sich, um ihn in die Arme zu nehmen, und strich sanft seine Tränen weg.
„Mein Bauch tut weh.“
„Wo ist Chloe? Hat sie dir irgendetwas gegeben?“
Ben schüttelte den Kopf, und Chloe erschien im Vorzimmer. „Er ist gerade erst aufgewacht, das arme kleine Würmchen. Er wollte nur zu seiner Mummy.“
„Ich gehe jetzt besser“, unterbrach Radford mit fester Stimme ihr Gespräch. „Wir sehen uns morgen, Kristie.“
Sie drehte sich nicht einmal nach ihm um. Für sie zählte jetzt nur das Wohlergehen ihres Sohnes.
Ben ist Kristies Sohn, dachte Radford aufgebracht, als er zum Wagen marschierte. Ihr Sohn ! Wie hatte das passieren können? Verdammt, das konnte er sich ja denken! Aber warum hatte sie ihm nichts davon gesagt? Warum hatte sie ihn in dem Glauben gelassen, er gehöre zu Chloe? Oder hatte er das nur angenommen?
Und wer zum Teufel war der Vater? Bestimmt nicht Paul? Nein, sicher nicht, sonst wäre er ja längst bei ihr eingezogen. Irgendein anderer Mann war der Vater – ein Mann, den Kristie genauso umgarnt hatte wie jetzt ihn.
Verflucht noch mal! Gerade jetzt, da er geglaubt hatte, die perfekte Frau gefunden zu haben. Moment mal – perfekt? Kristie? Die aus ihrer Abneigung gegen ihn nie einen Hehl gemacht hatte? Ja, der Abend mit ihr war sehr angenehm verlaufen – und mehr als
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