Julia Extra Band 364 (German Edition)
unbehaglich fühlte. „Benitos Vater ist der Koch, seine Spinatravioli sind anbetungswürdig.“
Drakon griff nach seiner Gabel und kostete eine Teigtasche. Gemini hatte recht. Die Ravioli zergingen förmlich auf der Zunge. „Das schmeckt wirklich köstlich.“ Er nickte anerkennend. Bis jetzt hatte er gar nicht gemerkt, wie hungrig er war.
„Glaubst du, ich lüge dich an?“ Gemini lächelte, erfreut, dass es ihm so gut schmeckte.
Drakon hielt mitten in der Bewegung inne, unsicher, wie er darauf reagieren sollte. Oder ob er überhaupt reagieren sollte. Seiner Erfahrung nach nahmen es viele Frauen mit der Wahrheit oft nicht allzu genau und das meistens aus denselben Gründen. Zuerst wollten sie sein Interesse erregen, und später versuchten sie, ihn bei der Stange zu halten. Nur Gemini war von Anfang an ehrlich gewesen, manchmal sogar brutal ehrlich. Und das war etwas, wodurch sie sich von allen anderen Frauen, die er kannte, unterschied.
Überhaupt stellte sich am Ende der ganze Abend für Drakon als große Überraschung heraus. Beim Essen unterhielten sie sich angeregt über Filme, die sie beide gesehen hatten, oder über Bücher, die ihnen etwas bedeuteten, und – last but not least – entdeckten sie ihre gemeinsame Liebe zur Oper.
Sie erzählten sich Geschichten aus ihrer Kindheit, und schließlich wurde Gemini klar, dass sie seine Gesellschaft so anregend fand, dass ihr der eigentliche Anlass für ihr Treffen heute Abend vollkommen entfallen war.
„So.“ Sie lehnte sich mit einem Lächeln zurück, während sie noch in Ruhe zum Abschluss ihren Kaffee tranken. „Darf Max jetzt endlich wieder zu seinem normalen Tagesablauf zurückkehren?“
„Die Verhandlungen für den Kauf von Bartholomew House sind frühestens in zehn Tagen abgeschlossen.“
Bei der Erinnerung an den bevorstehenden Verlust ihres Elternhauses verflog ihre Hochstimmung im Nu. „Dann hast du also immer noch nicht vor, deine Aufpasser abzuziehen?“, fragte sie steif.
„Vorerst nicht“, bestätigte Drakon.
„Ich glaube, ich sollte mir jetzt langsam mal die Rechnung geben lassen.“ Sie machte ein entsprechendes Handzeichen, als Benito in ihre Richtung blickte. „Und komm jetzt bloß nicht auf die Idee, hinter meinem Rücken zu bezahlen“, warnte sie ihn, weil sie spürte, dass er genau das vorhatte. „Heute Abend bist du mein Gast.“
Drakon ärgerte sich über sich selbst, weil er mit seiner Bemerkung alle gegen ihn existierenden Vorbehalte wieder auf den Plan gerufen hatte. Wie hatte er nur so unaufmerksam sein können? Oder war es Absicht gewesen, um wieder etwas Distanz zwischen ihnen zu schaffen? So angenehm dieser Abend auch gewesen sein mochte, war er doch nur ein weiterer Beleg dafür, dass Gemini völlig anders war als alle Frauen, die Drakon kannte. So anders, dass er es sogar geschafft hatte, sich in ihrer Gegenwart voll und ganz zu entspannen. Trotzdem war ihm die Sache nicht geheuer, auch wenn er nicht genau wusste, warum.
Aber musste er das denn überhaupt wissen? Wichtig war doch nur, dass diese ungute Situation zwischen Gemini und ihrer Stiefmutter möglichst schnell beendet wurde, damit er zu seinem alten unkomplizierten Leben zurückkehren konnte, oder?
9. KAPITEL
„Das war wirklich ein schöner Abend, Gemini, vielen Dank“, sagte Drakon, nachdem er vor ihrem Haus angehalten hatte. Auf der Rückfahrt hatten sie beide geschwiegen.
Er spürte, dass sie sich wieder in sich selbst zurückgezogen hatte … aber hatte er es nicht genau darauf angelegt? Stimmt, das hatte er, obwohl er sich jetzt eingestehen musste, dass er sich die angeregt plaudernde Gemini von vorhin zurückwünschte.
„Ich würde mich gern revanchieren, indem ich dich morgen Abend zum Essen einlade. Was meinst du?“, fragte er.
Als sie ihm das Gesicht zuwandte, sah er im Schein der Straßenbeleuchtung, dass sich zwischen ihren Augenbrauen eine steile Furche gebildet hatte. „Aber das war heute mein Dank für das Essen letzte Woche“, wandte sie ein. „Wir können das doch nicht bis in alle Ewigkeiten fortsetzen!“
Einen so langen Zeitraum hatte Drakon allerdings noch nie mit einer Frau ins Auge gefasst …
Ungeachtet dessen war es aus einem ganz bestimmten Grund unerlässlich, dass Gemini auf seinen Vorschlag einging. „Ich könnte mir vorstellen, dass wir relativ früh essen und anschließend in die Oper gehen. Wie findest du diese Idee?“
Prompt leuchteten die meergrünen Augen begeistert auf, obwohl sie vorwurfsvoll
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