Julia Extra Band 364 (German Edition)
so, dachte er grimmig. Sie hatte Angst vor dem, was er als Nächstes tun könnte. Sollte sie doch. Vielleicht könnte er sie dann endlich dazu bringen, ihm zu verraten, warum zum Teufel sie ihn verlassen hatte. Ja, er wollte den Grund wissen. Er hatte ein Recht darauf – besonders nachdem sie eben seinen Kuss erwidert hatte.
Eine Frau, die sich einem Mann in einem Kuss hingab, sollte nicht vor ihm davonlaufen.
„Und was den Punkt anbelangt, wer von uns Aufmerksamkeit erregt – vielleicht könntest du dich mal anständig benehmen.“
„Was wohl heißen soll, dass ich mich von dir herumkommandieren lasse, nicht wahr? Dass ich brav neben dir hergehe oder vielleicht sogar zwei Schritte hinter dir bleibe?“
Rio verengte die Augen. Dann packte er sie, umfasste ihr Handgelenk und zog Esmé nah an seinen Körper.
„Du solltest deine Stimme senken und wie eine zivilisierte Frau neben mir gehen.“
„Ich benehme mich völlig zivilisiert.“ Sie stieß einen Finger gegen seine Brust. „Du bist derjenige, der sich wie ein Wilder aufführt.“
Zuerst sah er auf ihren Finger, dann in ihre Augen. „Nimm deinen Finger weg“, sagte er ruhig.
„Ich lass mir von dir keine Vorschriften machen.“
„Ich warne dich, Esmé …“
„Und ich warne dich, Rio. Wage es nicht …“
Ihr wütender Protest endete in einem Aufschrei, als Rio sie hochhob, sie sich wie einen Sack Wäsche über die Schulter warf und mit ihr Richtung Stall marschierte.
Esmé konnte immer noch nicht glauben, was mit ihr geschah. Rio hatte sie kurzerhand gepackt, über seine Schulter geworfen und ging nun mit ihr davon.
„Bist du verrückt geworden? Lass mich runter!“
Als Antwort rückte er sie auf seiner Schulter zurecht und verstärkte seinen Griff um ihre Beine.
„Lass – mich – runter!“ Esmé schlug mit den Fäusten auf seinen Rücken. „Lass – mich …“
„Äh, Mister? Brauchen Sie Hilfe?“
Ein Paar abgetragene Stiefel tauchten in Esmés Blickfeld auf, die ihr bekannt vorkamen. „Wer ist da? Abel? Bist du das? Erzähl diesem Idioten, Abel, dass er mich runterlassen soll.“
„Danke, nicht nötig, Senor“, sagte Rio höflich. „Ich komme schon zurecht. Es ist alles in Ordnung.“
„Nichts ist in Ordnung! Er … er entführt mich gerade!“
„Sieht mir aber nicht sonderlich nach einer Entführung aus“, meinte Abel nach einem Moment, in dem die beiden Männer, wie Esmé vermutete, sich verschwörerisch zugezwinkert hatten.
„Die Senorita scheint ein bisschen zu viel Sonne abbekommen zu haben.“ Die großen Stalltüren ragten vor ihnen auf. Rio stieß sie mit der Schulter auf, während Abel eine Hand ausstreckte, um sie aufzuhalten. „Ihr wird es wieder besser gehen, sobald ich sie in den kühlen Schatten gebracht habe.“
„Mir geht es jetzt schon gut! Abel? Wenn du diesem … diesem Idioten nicht sofort sagst, dass er mich runterlassen soll …“
„Danke für Ihre Hilfe, Senor Abel.“
„Nichts zu danken, Senor.“
Damit trat der Vorarbeiter zurück. Die Türen schwangen ins Schloss, und Esmé und Rio waren allein in dem dämmrigen, stillen Stallgebäude. Rio ließ Esmé auf ihre Füße fallen. Sie wollte sich schon zur Tür drehen, doch er hielt sie fest, schob sie zurück, bis ihre Schulterblätter die Wand berührten und stützte die gespreizten Hände zu beiden Seiten von ihr ab. Dann sah er sie an und runzelte die Stirn.
„Du siehst blass aus“, meinte er.
Das stimmte vermutlich. Denn ihrem Magen hatte es nicht gut bekommen, mit dem Kopf nach unten zu hängen. Sie atmete ein paar Mal durch, ehe sie antwortete.
„Deine Fürsorge ist reine Zeitverschwendung! Was willst du, Rio? Warum schleppst du mich wie einen … Futtersack durch die Gegend?“
„Ich habe dich, wie du so schön sagst, herumgeschleppt, weil ich mir bei dir sonst kein Gehör hätte verschaffen können.“
Esmé stemmte die Hände in die Hüften und blies sich eine dunkle Haarsträhne aus der Stirn.
„Na schön, jetzt höre ich dir zu, und wahrscheinlich jeder andere auf dieser Ranch ebenfalls. Vielleicht ist es dir ja egal, dass ich für etliche Tage das Thema unter den Arbeitern sein werde. Aber mir ist es nicht egal, zum Teufel!“
„Damit liegst du wohl richtig.“ Rios Mund verzog sich. „Dieser Vorfall wird bei den Männern für Zündstoff sorgen.“
„Verdammt richtig. Dabei ist es auch so schon schwer genug für mich, mir bei diesem Haufen schmuddeliger Cowboys Respekt zu verschaffen …“
„Jeder
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