Julia Extra Band 364 (German Edition)
bewahrt, ohnmächtig zu Boden zu sinken. Er sah sie an, als ob sie jeden Moment zusammenbrechen könnte.
„Ja, mir geht’s gut.“ Ihre Stimme klang schwach. Und die Miene des Jungen zeigte ihr, dass sie ihn mit ihren Worten genauso wenig hatte beruhigen können wie sich selbst. „Wirklich“, fügte sie hinzu und brachte sogar ein Lächeln zustande. „Alles in Ordnung.“
Stirnrunzelnd ließ der Junge sie los, hielt aber eine Hand zu ihr ausgestreckt, als könnte sie jeden Augenblick wieder zu Boden sinken.
„Sicher?“
Sie nickte. Ein Fehler, wie sie im nächsten Moment merkte, denn bei der Bewegung wurde ihr sofort übel.
„Ja“, sagte sie und schluckte schwer. „Die Sonne …“ Sie deutete zu dem strahlend blauen Himmel, an dem die heiße Sonne wie eine große gelbe Scheibe stand.
„Die kann einem wirklich zusetzen, wenn man’s nicht gewohnt ist“, bestätigte der Junge.
„Aber ich bin die Hitze gewohnt“, entgegnete Esmé. „Schließlich bin ich hier aufgewachsen. Warum glaubt eigentlich jeder, alles über mich zu wissen, wenn doch …“
Der Junge sah sie an, als hätte sie den Verstand verloren. Vielleicht stimmt das sogar, dachte sie.
„Danke“, sagte sie knapp, dann ging sie zum Haus, ehe ihre Welt sich wieder in ein verschwommenes Grau verwandelte.
„Esmerelda! Geht es dir gut?“
Carmen stand auf der Schwelle und hielt die Fliegengittertür auf. Esmé drängte sich an ihr vorbei und hielt auf das Spülbecken zu.
„Mist“, murmelte sie, als sie das kalte Wasser andrehte. „Wahrscheinlich hat jeder auf der Ranch gesehen, wie ich über meine eigenen Füße gestolpert bin.“
„Hier, chica .“ Carmen hastete zum Spülbecken, griff nach einem Küchenhandtuch und ließ eiskaltes Wasser darüber laufen. „Leg es dir auf die Stirn und setz dich.“
„Mir geht’s gut, Mama.“
„Schön. Und jetzt setz dich.“
„Ehrlich, alles in Ordnung.“
„Musst du denn bei allem und jedem widersprechen?“ Carmen nahm den Arm ihrer Tochter, führte sie zu dem großen Eichenholztisch und drückte sie sanft auf einen Stuhl. „Bleib einfach hier sitzen. Ich kümmere mich schon um dich.“
Esmé seufzte. Tatsächlich fühlten sich ihre Knie immer noch wie Pudding an, und vor ihren Augen tanzten kleine schwarze Punkte.
„Danke.“
Carmen schnalzte mit der Zunge. „Es ist auch nicht nötig, dass eine Tochter sich bei ihrer Mutter bedankt. Hier, trink das.“
Esmé nahm das Glas aus ihren Händen. „Orangensaft?“
„Sí. Mit Zucker, so wie du es als Kind immer so gerne getrunken hast.“
„Und was du mir nie erlauben wolltest“, fügte Esmé mit einem Lächeln hinzu. Sie nippte an der kalten, süßen Flüssigkeit und spürte, wie der Saft langsam ihre Kehle hinunterlief und sich dort in einem Klumpen zu sammeln schien, der zu groß war, um ihn hinunterzubekommen. Sie schluckte vorsichtig und setzte das Glas ab.
„Zu viel Zucker?“
„Nein. Ich bin einfach … es ist die Sonne, Mama. Mit ist ein bisschen übel.“
„Aha. Dann nimm kleine Schlucke. Hast du heute schon was gegessen? Ich weiß, dass du dein Frühstück nicht angerührt hast … was ist eigentlich los?“
Esmé spürte förmlich, wie die Schweißtropfen auf ihrer Stirn sich in kleine Eisperlen verwandelten. „Sprich nicht über Frühstück, bitte.“
Carmen drehte sich zu ihrer Tochter um, zog einen Stuhl unter dem Tisch hervor und setzte sich ihr gegenüber hin.
„War dir da auch schon schlecht?“, fragte sie sanft. „Ich meine, heute Morgen?“
Esmé nickte. „Ein bisschen. In letzter Zeit ist mein Magen eigentlich immer ein wenig empfindlich.“ Sie hob das Glas wieder an die Lippen und nahm einen vorsichtigen Schluck. „Vermutlich hat dieser Cowboy doch recht.“
„Welcher Cowboy?“
„Der Junge, der mich aufgefangen hat, ehe ich ohnmächtig werden konnte.“ Sie seufzte und lächelte ihre Mutter über den Rand des Glases hinweg an. „Er meinte, es dauert seine Zeit, bis man sich an diese Hitze gewöhnt hat. Und ich habe ihm gesagt, dass ich mich nicht daran gewöhnen muss, weil ich hier aufgewachsen bin. Aber ich bin doch gar nicht so lange weg gewesen …“
„Lange genug, um dich mit einem Mann wie Rio de Santos einzulassen.“
Esmé sah hoch. Die Miene ihrer Mutter gab nichts preis, nur die dunklen Augen blitzten.
„Mama“, sagte sie langsam, „ich möchte nicht über Rio de Santos sprechen.“
„Das dachte ich mir schon.“ Carmen stand auf, nahm ein Tuch aus der Spüle und
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