Julia Extra Band 364 (German Edition)
üblichen unerschütterlichen Ruhe und Selbstsicherheit.
Am liebsten hätte sie ihn gefragt, wen er zu der Modenschau begleitet hatte, denn sie konnte sich nicht vorstellen, dass er allein dorthin ging, aber sie hatte die neugierige Frage runtergeschluckt. Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß, dachte sie.
Jetzt posierte sie also in dem Brautkleid, das Sergios für sie ausgesucht hatte, und stellte fest, dass der Schnitt ihr üppiges Dekolleté prachtvoll zur Geltung brachte, während er gleichzeitig ihre schmale Taille betonte. Offensichtlich kannte Sergios sich aus, wenn es um Frauen ging. Bee leugnete gar nicht, dass ihre Erscheinung eine grundlegende Veränderung durchgemacht hatte. Ihr kastanienbraunes Haar war in schicke Stufen geschnitten worden, die ihr nur noch bis zur Schulter fielen – so wirkte die Frisur nicht mehr so schwer. Das Make-up betonte ihre Wangenknochen und ihre Augen. Darüber hinaus war sie von Kopf bis Fuß gewachst und eingecremt worden. Sie sah so perfekt aus, wie es eine normalsterbliche Frau nur tun konnte. Die Ironie an der Geschichte war, dass sie sich von dem Schönheitsprogramm weder missbraucht noch herabgesetzt fühlte. Im Gegenteil. Sie genoss das Wissen, nie zuvor so gut ausgesehen zu haben.
In sechsunddreißig Stunden fand ihre Hochzeit statt. Bee holte tief Luft und versuchte, ihre Nerven zu beruhigen. Als sie die Boutique verließ, um zu ihrem Termin in der Anwaltskanzlei zu fahren, trug sie ein elegantes, grau gestreiftes Kleid mit passendem Blazer. Ein Bodyguard befand sich an ihrer Seite, und innerhalb weniger Minuten fuhr eine schwarze Limousine vor. Allmählich gewöhnte sie sich daran, derart verwöhnt zu werden, wie sie zu ihrer Schande gestehen musste. Es dauerte nicht lang, und sie betrat die standesgemäßen Räumlichkeiten der angesehenen Anwaltskanzlei.
Bee saß noch im Empfangsraum, als sie ein bekanntes Gesicht entdeckte und beinahe zusammenzuckte. Es war ihr Exfreund Jon Townsend. Mehr als drei Jahre waren seit ihrer letzten Begegnung vergangen, und jetzt stand er kaum fünf Schritte von ihr entfernt. Er trug Anzug und Krawatte und war so attraktiv wie eh und je.
Jon drehte den Kopf und erkannte sie genau in dem Moment, als die Empfangsdame ihr sagte, sie könne nun in Mr Smyths Büro gehen. Jon stand die Überraschung deutlich ins Gesicht geschrieben, als er mit einem Stirnrunzeln auf sie zukam. „Bee?“, fragte er ganz so, als könne er nicht fassen, dass sie tatsächlich vor ihm stand.
„Jon … tut mir leid, ich habe einen Termin“, entgegnete sie und erhob sich.
„Du siehst fantastisch aus“, sagte er mit Wärme.
„Danke.“ Ihr Lächeln wirkte ein wenig gezwungen, denn sie konnte die Verletzungen nicht vergessen, die er ihr zugefügt hatte. So konzentrierte sie sich darauf, ihre Würde zu bewahren. „Arbeitest du hier?“
„Ja, seit letztem Jahr. Wir sehen uns nach deinem Termin und dann plaudern wir ein wenig“, erwiderte er.
Ihr falsches Lächeln verblasste. Rasch eilte sie in Halston Smyths Büro und fühlte dabei eine merkwürdige Mischung aus Erleichterung und dunkler Vorahnung. Worüber in aller Welt wollte Jon mit ihr plaudern? Er war mittlerweile verheiratet – zumindest hatte sie das gehört –, vielleicht hatte er sogar Kinder, auch wenn er damals mit ihr keine gewollt hatte. Aber bis zu seiner Begegnung mit Jenna hatte er ja auch nicht heiraten wollen. Bees Nachfolgerin, eine kleine alberne Blondine, war die Tochter eines Richters am Obersten Gerichtshof. Eine äußerst lukrative Verbindung für einen angehenden Anwalt.
Mr Smyth erklärte ihr noch einmal die Vereinbarungen des Ehevertrags, die sie bereits in der vergangenen Woche durchgegangen waren, während ein jüngerer Mitarbeiter bereitstand, falls sie irgendwelche Wünsche äußern sollte. Bei ihrem ersten Besuch war Bee schon klar geworden, dass man sie als zukünftige Ehefrau eines Multimillionärs als VIP ansah und entsprechend zuvorkommend behandelte. Trotz aller Warnungen, sich reiflich zu überlegen, was sie da tat, unterzeichnete sie an der vorgesehenen Stelle und fragte sich dabei, wie schnell sie Physiotherapie-Stunden für ihre Mutter buchen konnte.
Mr Smyth begleitete sie bis zum Lift. In der allerletzten Sekunde, ehe sich die Türen schlossen, trat Jon zu ihr und ihrem Bodyguard.
„Um die Ecke gibt es eine nette Weinbar“, bemerkte er lässig.
Bee runzelte die Stirn. „Ich glaube nicht, dass wir viel zu bereden haben.“
„Nun, ich
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