Julia Extra Band 365
dass er es wirklich wissen wollte. Er wollte es wissen, damit er den umbringen konnte, der schuld war an diesem Ausdruck in ihren Augen.
Sie lachte gequält und rollte fort von ihm. „Das ist eine Fangfrage.“
Er war hin- und hergerissen zwischen dem Wunsch, ihr zu versichern, dass sie ihre Geheimnisse nicht preisgeben musste, wenn sie nicht wollte, und dem Verlangen, mehr zu erfahren. Dem Verlangen, ihr Drachentöter zu sein und sie von den Qualen zu befreien.
Er drehte sich auf die Seite und schaute sie an.
„Fangen wir mit meinen Eltern an“, sagte sie und vermied es, ihn anzusehen. „Ich war eine nicht geplante Überraschung. Sie hatten schon meinen Bruder großgezogen, und sie wollten eigentlich nicht … Ich bin fünfzehn Jahre jünger als Gage. Da dachten sie nicht mehr an noch ein Kind.“
Aleksej taten ihre Worte in der Seele weh. Er hätte nicht fragen sollen! Wie konnte er ihren Schmerz lindern? Gar nicht. Er hatte nichts zu geben. Und in Maddy spürte er in diesem Augenblick ein so großes Bedürfnis nach Zuwendung. Er fühlte sich unfähig, es zu erfüllen.
„Als ich zehn war, machten sie eine Reise. Sie hatten meine Nanny entlassen, und die neue war noch nicht da. Ich war drei Tage ohne Essen. Nicht, weil kein Geld da gewesen wäre. Wir hatten eine Menge Geld. Sie hatten es einfach vergessen. Ich rief Gage an, und der holte mich dann. Ich bin nie mehr nach Hause zurückgekehrt.“
In ihrer Stimme schwang kein Schmerz mit, sie erzählte alles ganz ruhig. Aleksej verstand, warum. Er kannte dieses Verdrängen von Gefühlen. Tat man es nicht, fraß der Kummer einen auf. Und wie zu sehen war, hatte keiner von ihnen das zugelassen. Sie beide hatten weitergemacht. Sie waren dem Erfolg nachgejagt, anstatt sich der Verzweiflung hinzugeben.
„Gage kümmerte sich rührend um mich“, fuhr sie fort. „Und dann lernte ich William kennen.“
Die Art, wie sie den Namen aussprach, sagte Aleksej alles.
„Er war mein Chef. Nachdem ich das College abgeschlossen hatte, machte ich ein Praktikum bei ihm. Er war richtig nett, machte mir immer Komplimente und sagte mir, wie schön ich wäre. Ich fühlte mich natürlich geschmeichelt. Es war schön, dass da jemand war, der … mich wollte. Niemand hatte mich je … gewollt.“
Sie wandte ihr Gesicht ab. „Ich war so dumm, Aleksej. Ich sehnte mich so danach, geliebt zu werden. Und da war dieser Mann … älter als ich, erfolgreich, gut aussehend. Und er sagte, er liebe mich.“
„Viele junge Mädchen begehen diesen Fehler“, meinte Aleksej.
Madeline setzte sich auf, und die Decke rutschte in ihren Schoß. „Ja, das weiß ich. Aber nicht viele Mädchen zerstören eine Ehe, so wie ich. Es ging durch alle Zeitungen. Seine Frau war nämlich Schauspielerin. Ein paar Monate lang war ich berühmt-berüchtigt.“
„Er war verheiratet?“ Eine heiße Wut stieg in ihm auf. Wenn dieser Mann ihm jemals über den Weg lief … er könnte für nichts garantieren.
„Ich wusste nicht, dass er verheiratet war. Manchmal frage ich mich, ob ich nichts habe wissen wollen. Ich sprach mit niemandem über William und mich. Ich fragte auch nicht nach, wenn er mit mir in Hotels ging und danach dann sofort verschwand. Das ist mein dunkles Geheimnis.“
Alexej betrachtete ihre stille angespannte Gestalt. Sie erwartete, dass auch er sie verurteilte, genau wie die Presse.
„Es ist unwichtig, ob du etwas wusstest oder nicht.“ Er richtete sich auf und rückte näher zu ihr. „Ein Mann ist an sein Eheversprechen gebunden. Keine hätte mich je herumgekriegt, mein Eheversprechen zu vergessen.“
„Aber ich …“ Sie sah ihn niedergeschlagen an. „Ich hätte … nichts mit ihm anfangen dürfen.“
„Er hat dich doch ausgenutzt. Ich verachte Männer, die die Schwäche anderer ausnutzen. Besonders, wenn es sich um ein verletzliches Mädchen handelt.“
Sie blickte auf ihre Hände. Die dunklen Wimpern lagen wie Fächer auf ihren hohen Wangenknochen. „Damals hat das keiner so gesehen. Selbst ich nicht. Die Schlagzeilen hatten recht. Ich hatte eine glückliche Ehe zerstört.“
„Die Presse liebt Skandale. Lass sie nicht bestimmen, wie du dich siehst. Dein Chef hat seine Ehe selbst zerstört.“
Maddy zog die Knie an die Brust. Ihr Herz raste, ihre Hände zitterten. Noch nie hatte sie jemandem die Geschichte ihres Lebens erzählt. Aber jetzt war alles aus ihr herausgebrochen. Und Aleksej sah sie nicht voll Ekel an. Sein dunkler Blick war fast zärtlich. Jetzt verstand sie
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