Julia Extra Band 366
Herzen liegen?
„Kommen deine Gäste nicht heute Nachmittag an?“, wechselte sie das Thema. „Ich dachte, du wolltest sie unbedingt persönlich willkommen heißen.“
„Das stimmt, aber ich hielt es für ratsam, dich zuvor aus Raha zu entfernen.“
„Du dachtest, ich würde eine Szene machen?“
Ein Blick verriet ihr, dass sie den Nagel auf den Kopf getroffen hatte.
Makin hielt sie für einen Menschen, der nur Scherereien machte. Ein dumpfes Gefühl breitete sich in ihrer Brust aus. Er war genau wie ihre Eltern und sah nur das, was er sehen wollte, nicht den Menschen, der sie wirklich war.
Sie starrte aus dem Fenster auf das Meer aus goldenem Sand. Soll Makin denken, was er will , sagte sie sich. Er ist mir völlig egal …
Doch tief in ihrem Herzen spürte sie, dass er ihr nicht egal war.
Als er sie geküsst hatte, war es um sie geschehen.
In seinen Armen hatte sie sich nicht nur sicher gefühlt, sondern auch begehrenswert. Zuvor hatte sie sich nie wie eine richtige Frau gefühlt. Makins Kuss hatte eine neue Saite in ihr zum Schwingen gebracht.
Der Kuss war das schönste Erlebnis ihres Lebens gewesen. Und sie wollte mehr.
„Ich hätte dir bestimmt keine Szene gemacht.“
„Das Risiko wollte ich nicht eingehen.“
„Und wer wird jetzt deine Gäste in Empfang nehmen?“
„Sultan Nuri von Baraka, ein guter Freund von mir.“
„Weiß er, dass du verhindert bist, weil du mich persönlich beim Scharfrichter abliefern wolltest?“
„Musst du immer gleich alles ins Dramatische ziehen?“
Sie seufzte „Mein Leben lang bin ich dafür kritisiert worden, zu emotional zu reagieren.“
Als sie an Bord gegangen waren, war Makin noch wütend auf sie gewesen, aber nun konnte er ihr nicht länger böse sein. Sie faszinierte ihn, und er musste mehr über sie wissen. „Wer kritisiert dich?“
„Meine Eltern, besonders meine Mutter.“
„Wofür?“
Sie zählte die Vorwürfe ihrer Mutter an den Fingern ab. „Ich bin zu sensibel. Ich rede zu schnell. Ich bin nervös. Ich rege mich leicht auf. Ich weine bei jeder Gelegenheit.“
„Du weinst bei jeder Gelegenheit?“
„Nun, das hängt von der Gelegenheit ab.“
Er lächelte amüsiert. Diese Emmeline gefiel ihm schon viel besser. „War die Beziehung zu deiner Mutter immer angespannt?“
„Von Anfang an …“
Plötzlich machte sie ein ernstes Gesicht, und er betrachtete sie nachdenklich. Sie trug Jeans und eine schlichte weiße Bluse. Das Haar hing ihr locker über der Schulter und auf Make-up hatte sie ganz verzichtet. Sie sah jung und frisch aus. Er fragte sich, was seine Eltern wohl von Emmeline D’Arcy gehalten hätten.
„Als Junge habe ich auch sehr emotional reagiert“, erklärte er plötzlich. „Ich weiß noch genau, dass mich meine Mutter mit acht oder neun zur Seite nahm und mir erklärte, ich sei zum Weinen nun zu groß.“
„Warum hast du geweint?“
„Mein Vater war aus seinem Rollstuhl gefallen. Ich hatte große Angst.“
„Wie furchtbar!“
Als er ihren besorgten Gesichtsausdruck sah, wechselte er sofort das Thema. „Ich habe dich noch nie in Jeans gesehen.“
„Sie gehören Hannah, aber ich gebe sie ihr ganz bestimmt wieder zurück.“
„Das musst du mit ihr klären. Hat sie dir eigentlich von der Ranch ihres Vaters in Texas erzählt?“
Emmeline schüttelte den Kopf.
„Ich glaube, sie fühlte sich dort einsam. Sie wuchs ohne Mutter auf und verbrachte fast den ganzen Tag auf dem Rücken eines Pferdes.“
„Ihr Leben muss so anders gewesen sein als meines. Allerdings kann ich auch reiten. Ich habe einige Wettbewerbe gewonnen.“
„Im Dressurreiten?“
Sie lächelte. „Nein, Springreiten. Ich war sogar im Olympiateam von Brabant.“
Ungläubig sah er sie an. „Du hast an den Olympischen Spielen teilgenommen?“
„Leider bin ich im ersten Rennen vom Pferd gefallen. Ein schlimmer Sturz, seitdem darf ich nicht mehr an Wettbewerben teilnehmen.“
„Wie lange ist das her?“
„Fünf Jahre.“ Sie legte eine Hand auf ihren Bauch. „So habe ich Alejandro kennengelernt. Er war vor Ort, als es passierte, und besuchte mich im Krankenhaus. Die Schwestern wollten ihn nicht zu mir lassen, also gab er sich als … mein Verlobter aus.“
Ehrlich erstaunt betrachtete er sie von der Seite. Er hatte geglaubt, dass es Emmeline nur darum ging, in möglichst vielen Klatschblättern abgelichtet zu werden. Dabei hatte sie jahrelang hart trainiert und einen schweren Sturz verkraften müssen. Sie war wesentlich stärker,
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