Julia Extra Band 366
zufrieden? Ist es das, was Sie hören wollten? Meine idyllische Jugend als uneheliches Kind?“
„So defensiv.“ War das Mitgefühl, was in seinen Augen aufblitzte? Oder schlimmer noch – Mitleid? Diesen Gedanken fand sie unerträglich. „Da gibt es nichts, dessen Sie sich zu schämen hätten, Becca.“
„Das weiß ich!“ Ihr Zorn kochte hoch. Die Narben und Wunden, die ihr in all den Jahren zugefügt worden waren, brachen jetzt wieder auf. „Doch meine Mutter schämte sich. Sie hatte größere Pläne und wollte ein besseres Leben für sich und ihre Töchter. Würde sie noch leben, hätte sie Bradford wohl selbst zur Rede gestellt.“ Sie schüttelte den Kopf und sah Theo an. „Sie hatte nicht das Glück, jemandem zu ähneln. Demnach hätte sie sich vor dieser Kröte, die ihr Bruder ist, demütigen müssen. Er hätte sie angegrinst und weggeschickt. Nur deshalb, weil er die Macht dazu besitzt.“
Ihre Worte hingen schwer zwischen ihnen. Becca verstand nicht, warum sie ihm das alles erzählte und weshalb sie es im Nachhinein bereute. Als ob sie Theo für Bradfords Verhalten verantwortlich machte. Was war mit ihr los? Schließlich saß sie doch nur mit ihm in diesem Restaurant, weil er nach ganz oben wollte!
„Vermutlich haben Sie recht“, bestätigte Theo eine Sekunde später in seiner direkten Art. Sie hätte ihn für schonungslos halten müssen. Doch sie fand seine Ehrlichkeit wohltuender, als wenn er irgendwelche Plattheiten vorgebracht hätte. „Aber dass Bradford kaum als menschliches Wesen bezeichnet werden kann, sollte Sie nicht zu sehr beschäftigen“, fuhr er fort.
„Tut es auch nicht“, log sie.
Aber sie hatte zu viel ausgeplaudert, wurde ihr bewusst, als sich Schweigen über sie senkte und Theo angelegentlich nach dem Ober winkte. Sie hatte zu viel enthüllt, und nun befand sie sich exakt in der Situation, die sie gerne hatte vermeiden wollen. Er hatte es nicht verdient, so viel über sie zu erfahren.
Doch das hatte sie vorher gewusst. Warum also hatte sie sich ihm in dieser Weise offenbart?
Als sie in Theos eigenem Reich in Manhattan ankamen, hatte Becca noch immer keine Antwort auf ihre Fragen gefunden. Während der langen Fahrt hatten sie kein Wort gewechselt. Theo hatte sich auf dem Rücksitz ausgestreckt und in sein Black Berry getippt, während Becca vorgab, die pulsierende City zu betrachten. In Wirklichkeit ging ihr jedes Detail von vorhin durch den Kopf. Sie wurde das Gefühl nicht los, dass der Wind gedreht hatte und sie dabei war, den Boden unter den Füßen zu verlieren.
Als der Wagen schließlich am Straßenrand hielt, legte Theo seine große warme Hand auf ihren Arm.
„Die Paparazzi warten draußen“, sagte er kühl, während er aus dem Fenster sah. „Sind Sie bereit?“
„Wie kann ich beurteilen, ob ich bereit bin?“, fragte sie mit entwaffnender Ehrlichkeit. Durch die glücklicherweise abgedunkelten Scheiben konnte sie beobachten, wie eine Horde anonymer Menschen sich auf dem Gehsteig positionierte – wild gestikulierend, Fotos schießend und rufend. Einer schlug sogar mit der Hand gegen das Auto.
„Sie erwarten eine Reaktion“, sagte Theo beherrscht. „Je emotionaler Sie sich geben, desto besser. Die Presseleute werden alles versuchen, Sie zu reizen, um Sie dahin zu bringen, wo sie Sie haben wollen. Verstehen Sie?“
Wie konnte er nur so gelassen sein? Becca spürte ihr Herz in Panik pochen, als sie zu ihm aufsah. Er war so selbstsicher. Als ob er sie allein durch die Kraft seines Willens vor Schaden bewahren könnte. Wie ein Rettungsanker in rauer See. Sie musste sich lediglich an ihn halten.
Dabei hat er selbst diesen Sturm heraufbeschworen, rief sie sich in Erinnerung. Wahrscheinlich war er es auch, der diese schrecklichen Menschen herbeizitiert hatte!
Und trotzdem – wenn er sie ansah, als würde er sie für stark halten, fühlte sie sich auch stark. Als könnte sie alles schaffen. Auch dieses Spießrutenlaufen draußen.
Für ihn , flüsterte ihr eine verräterische Stimme zu. Sie achtete nicht darauf, sondern brachte es sogar fertig zu lächeln.
„Es kann ja nicht so schlimm werden“, sagte sie leichthin und warf unternehmungslustig den Pferdeschwanz über die Schulter. „Egal, was sie sagen werden, sie reden ja nicht über mich , oder?“
Wie oft hatte er Larissa dabei beobachtet, wie sie spielend mit diesen bellenden Hunden fertig wurde? Er bewunderte, wie sie die Leute sogar für ihre eigenen Zweck einspannen konnte. Wie viele Male
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