Julia Extra Band 367
entgegen, dass es ihr buchstäblich den Atem verschlug.
„Dio, quanto sei incantevole“ , sagte er sanft, als er ihr die Beifahrertür aufhielt.
Lily ließ sich in den niedrigen Sitz des Sportwagens sinken. „Ihnen ist schon klar, dass ich im Nachteil bin, weil ich kein Italienisch spreche und deshalb keine Ahnung habe, was Sie da gerade gesagt haben?“
Er zögerte nur kurz. „Es bedeutet, dass Sie sehr … hübsch aussehen.“
Lily argwöhnte, dass das Wort „hübsch“ normalerweise nicht in Ciro D’Angelos Wortschatz auftauchte, und sein unverhohlen bewundernder Blick gab ihr auch weniger das Gefühl „hübsch“ zu sein als vielmehr sündhaft sexy. Bewusst sittsam strich sie sich den Rock über die Knie. „Danke.“
Er schlug die Wagentür zu und kam um das Auto herum, um sich hinter das Steuer zu setzen. „Macht es Ihnen etwas aus, mit offenem Verdeck zu fahren? Frauen haben da manchmal ein Problem wegen ihrer Frisur.“
Sie schüttelte den Kopf. „Ich habe so viele Haarklammern hineingesteckt, dass ich schon in einen Windkanal geraten müsste, um sie durcheinanderzubringen.“
„Tragen Sie es nie offen?“
„Selten. Es ist so lang und dicht, dass es eigentlich immer im Weg ist.“
„Das kann ich mir vorstellen.“ Tatsächlich malte Ciro sich plötzlich aus, wie das blonde Haar ihr in seidigen goldenen Kaskaden über die nackten Brüste fiel, und wurde von unbändigem Verlangen gepackt. Nur mit Mühe gelang es ihm, seine Gedanken wieder auf etwas anderes zu lenken. „Haben Sie sich inzwischen entschieden, wo Sie wohnen werden?“
Sie lächelte ironisch. Aus seinem Mund klang das, als hätte sie Hunderte Möglichkeiten zur Auswahl. „Ich werde in die Wohnung über der Teestube, in der ich arbeite, ziehen.“
„Wie ist sie?“
Sie fragte sich, wie Ciro wohl reagieren würde, wenn sie antwortete: „Etwa so groß wie ein Schuhkarton“. Stattdessen sagte sie, ohne eine Miene zu verziehen: „Ach, es ist sehr praktisch, weil ich es so nahe zur Arbeit habe. Die Wohnung stand wohl einige Jahre leer und braucht etwas Farbe. Es soll ja wie ein gemütliches Zuhause aussehen, wenn Jonny nächste Woche kommt.“
Ciro verspürte einen merkwürdigen Stich. „Jonny?“
„Ja, mein Bruder.“
Ihr Bruder. Seine Erleichterung war unbeschreiblich. „Ihr Bruder?“
„Ja, augenblicklich ist er im Internat, aber nächstes Wochenende kommt er nach Hause. Er kennt die neue Wohnung noch nicht, und ich will, dass alles so schön wie möglich für ihn ist.“
„Wie alt ist er denn?“
„Sechzehn.“
„Und was ist mit … Ihren Eltern?“
Lily hatte diese Frage in genau diesem zögernden Ton schon unzählige Male gehört. Was sie überhaupt nicht ertragen konnte, war Mitleid. „Sie sind beide tot.“
„Das tut mir leid.“
„So ist das Leben.“ Lily blickte starr geradeaus auf die Straße. „Und was ist mit Ihrer Familie?“
„Meine Mutter lebt noch … in Neapel. Was meinen Vater betrifft … nun ja, er ist schon vor langer Zeit gestorben.“
Sie glaubte einen verbitterten Unterton herauszuhören, aber Ciros versteinerte Miene riet ihr, sich weitere Fragen zu verkneifen. „Jeder von uns hat sein eigenes Päckchen zu tragen“, sagte sie stattdessen.
„Anscheinend“, meinte Ciro ein wenig unbehaglich, denn er war es nicht gewohnt, eine so vertrauliche Unterhaltung mit einer Frau zu führen, mit der er noch nicht einmal geschlafen hatte. Im nächsten Moment durchzuckte ihn allein bei dem Gedanken an Sex mit ihr erneut heißes Verlangen. „Warum lehnen Sie sich jetzt nicht einfach zurück und genießen die Fahrt?“, schlug er rau vor.
Lily gab sich Mühe, aber es war nicht so leicht … weder die Sorgen um ihre und Jonnys Zukunft zu vergessen noch die gefährlich erotische Wirkung, die der aufregende Neapolitaner neben ihr auf sie ausübte! „Wohin fahren wir eigentlich?“
„Es heißt ‚The Meadow House‘ … ist Ihnen das ein Begriff?“
„Sie meinen das Hotel?“
„Genau“, bestätigte er, ohne mit der Wimper zu zucken.
Lily zupfte am Rock ihres Kleides. „Sie wohnen da?“
„Ja. Ich wollte nach dem Essen nicht noch nach London zurückfahren … und außerdem ist es eine gute Gelegenheit die örtliche Konkurrenz unter die Lupe zu nehmen. Ich habe mir sagen lassen, dass man im ‚Meadow‘ gerade einen Sternekoch aus Paris als Küchenchef angestellt hat, und bin gespannt auf die Karte.“
Lily interessierte sich nicht die Bohne für irgendwelche Speisekarten oder
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