Julia Extra Band 367
hielt seinem Blick nachdenklich stand. Zwar fand sie es immer noch nicht schön, dass ihr Zuhause, die Zimmer, in denen sie aufgewachsen war, in Zukunft an fremde Leute vermietet werden würden … aber wenn das alte Gutshaus nun schon einmal an einen Hotelier verkauft werden musste, war es bei Ciro D’Angelo vielleicht nicht in den schlechtesten Händen. „Das klingt nicht zu schlecht“, meinte sie vorsichtig.
„Freut mich, dass meine Pläne Ihre Zustimmung finden“, erwiderte er, ohne eine Miene zu verziehen.
„So weit würde ich vielleicht nicht gehen. Und Sie haben mir immer noch nichts von sich erzählt.“
„Was genau möchten Sie denn wissen, dolcezza ?“
Sie wollte gerne wissen, wie es war, von ihm geküsst zu werden! „Haben Sie auch Geschwister?“
„Nein.“
Energisch schob Lily ihre verräterischen Gedanken beiseite. „Und hatten Sie eine glückliche Kindheit?“
Ciro betrachtete sie schweigend. Sollte er ihr die Wahrheit sagen? Dass es in gewisser Weise die Hölle gewesen war? Wie er im Dunkeln ganz still dagelegen und gelauscht hatte, bis er das Klacken der hochhackigen Pumps seiner Mutter auf der Marmortreppe hörte. Wie er den Atem angehalten hatte, um zu hören, ob sie allein war oder wieder einmal einen Mann mitgebracht hatte. Er zuckte die Schultern. „Es war ganz okay.“
Das eisige Funkeln in seinen dunklen Augen entging ihr nicht. „Nur ‚ganz okay‘?“
„Ist dies ein Dinner Date oder eine Therapiesitzung?“
Im flackernden Kerzenlicht bemerkte Lily seine versteinerte Miene und verspürte plötzlich keine Lust, diesen Abend zu ruinieren. „Ich wollte nicht neugierig sein“, sagte sie entschuldigend.
Es tat ihm leid, sie so unnötig vor den Kopf gestoßen zu haben, wo ihr Interesse zweifellos ehrlich gemeint gewesen war. „Das alles liegt so lange zurück, und ich rede lieber nicht darüber“, meinte er versöhnlich. „Eigentlich müssen Sie auch nur eines über mich wissen: dass ich im Grund ein ganz einfacher Junge aus Neapel bin.“
Er machte dabei ein so betont treuherziges Gesicht, dass Lily lachte. „Natürlich.“
Ciro beugte sich vor. „Der ganz verrückt danach ist, die Frau, die ihm gegenübersitzt, zu küssen.“
Lily stellte ihr Glas auf den Tisch, weil ihre Hand plötzlich zitterte. „Hören Sie auf“, flüsterte sie.
„Warum? Ist es so falsch, auszusprechen, woran wir beide den ganzen Abend gedacht haben?“
„Sie wissen doch gar nicht, woran ich denke!“
„O doch, ich glaube, das weiß ich sehr genau. Denn ich habe Sie aufmerksam beobachtet, und Ihre Blicke und Ihr Körper verraten Sie. Sie wollen mich genauso sehr, wie ich Sie will, Lily. Ich begehre Sie, seit ich Sie, bekleidet mit dieser niedlichen Rüschenschürze, beim Kuchenbacken in der Küche gesehen habe.“
Ihr Herz klopfte wie wild. Ciros glühender Blick weckte ihre heißesten Träume. Sie sehnte sich danach, endlich wieder in den Armen eines Mannes Erfüllung zu finden. In den Armen dieses Mannes … und plötzlich hatte sie Angst. Mochten die Motive ihrer Stiefmutter auch egoistisch gewesen sein, so war doch alles wahr, was sie über Ciro gesagt hatte. Er war fast ausschließlich mit Topmodels und schönen Schauspielerinnen liiert. Er war reich und mächtig. Er kam aus einer ganz anderen Welt.
Deshalb lächelte sie betont freundlich, aber unverbindlich. „Es war ein langer Tag, Ciro, und ich bin ziemlich müde. Ich denke, ich sollte jetzt besser nach Hause fahren.“
„Natürlich“, erwiderte er scheinbar gelassen, und war zufrieden, als sie sich sichtlich entspannte. Doch er verspürte keinerlei Gewissensbisse, weil er seine Zustimmung nicht ernst meinte. Schließlich hatte er nicht vor, sie gewaltsam in seine Suite zu verschleppen und an das große Bett zu ketten! Nein, er wollte sie lediglich küssen. Ihr Widerstand würde einfach dahinschmelzen … das war so unausweichlich wie der Aufgang des Mondes, der am samtenen Nachthimmel silbern über ihnen leuchtete.
Diesmal führte er sie nicht durch die Hotellobby zum Parkplatz zurück, sondern außen herum über das duftende, frisch gemähte Gras. Die Bäume und der Pfad waren so dezent beleuchtet, dass Lily das Gefühl hatte, in eine geradezu unwirklich schöne romantische Zauberwelt vorzudringen. Sie konnte kaum atmen, so stark wirkte Ciros Nähe auf sie. Alles in ihr schrie danach, von ihm berührt zu werden und die hemmungslose Erfüllung seiner erotischen Versprechen einzufordern.
Als sie schließlich den
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