Julia Extra Band 367
nur.“
Sie legte ihr Besteck beiseite und trank einen Schluck Champagner. „In wieweit?
„Nun, ich wüsste zum Beispiel gern, warum Sie jetzt das Gutshaus verlassen müssen, um mit Ihrem Bruder in eine Wohnung über der Teestube zu ziehen.“
„Weil mein Vater kein Testament hinterlassen hat.“
„Und warum nicht?“
Sie spielte mit dem Stiel ihres Glases. „Weil er nach dem Tod meiner Mutter wieder geheiratet hat, eine viel jüngere Frau. Vermutlich war er … zu sehr mit anderen Dingen beschäftigt, um seine persönlichen Angelegenheiten neu zu ordnen. Und ihm blieb ja auch nicht viel Zeit dafür.“ Lily presste die Lippen zusammen. „Sie waren erst zehn Monate verheiratet, als er völlig unerwartet an einem Herzinfarkt starb.“
„Das tut mir leid.“
In seinen schlichten Worten schwang aufrichtiges Mitgefühl. Von Erinnerungen bestürmt, kämpfte Lily für einen Moment mit den Tränen. Der schreckliche Anblick, als ihr Vater bleich am Tisch zusammensackte, das hysterische Schluchzen ihrer Stiefmutter, ihre eigenen vergeblichen Wiederbelebungsversuche bis zum Eintreffen des Notarztes, der Tony Scott schließlich für tot erklärte.
Rasch hob Lily ihr Champagnerglas und trank einen großen Schluck. „So etwas passiert eben und lässt sich nicht mehr ändern. Suzy hat alles geerbt, und ich musste das akzeptieren.“
Ciro fand es bemerkenswert, wie stoisch sie ihr Schicksal hinnahm, zumal ihre junge Stiefmutter keinerlei Gewissensbisse zu haben schien, sie und ihren jüngeren Bruder mittellos vor die Tür zu setzen. „Sie haben kein Einkommen?“
„Doch“, widersprach sie ein wenig trotzig. „Es lässt sich vielleicht nicht mit Ihrem vergleichen, aber ich verdiene durchaus Geld mit meinen Kuchen und Torten und als Kellnerin in der Teestube, falls Sie das vergessen haben.“ Was für seine Begriffe kaum mehr als ein Taschengeld sein konnte …
„Ich kann es nur bewundern, wenn eine Frau so hart arbeitet“, sagte er ehrlich.
„Schon gut“, winkte sie ab und wechselte ganz bewusst das Thema, weil sie nicht wusste, was sie von seinen Komplimenten halten sollte. „Genug von mir. Sie sind ein Mann voller Geheimnisse, und bisher weiß ich nur sehr wenig über Sie.“
„Ich bin überrascht, dass Sie sich nicht im Internet über mich informiert haben.“
Sie sah ihn erstaunt an. „Passiert Ihnen das oft?“
„Ständig.“ Er zuckte die breiten Schultern. „Heutzutage ist es doch kein Problem, sich Informationen über jemanden einzuholen. Nur leider stimmt nicht alles, was in der Presse oder im Netz über einen verbreitet wird.“
Sein zynischer Unterton verriet, dass er vermutlich in dieser Hinsicht schon einige schlechte Erfahrungen gemacht hatte. Wahrscheinlich zählte das zu den Nachteilen, wenn man reich und bekannt war. „Ich besitze nicht einmal einen Computer“, gestand sie zögernd.
„Das glaube ich nicht!“, meinte er amüsiert.
„Aber es ist wahr. Ich habe mich immer mehr fürs Praktische interessiert. Und warum sollte ich meine Zeit damit vergeuden, auf einen Bildschirm zu starren und in einer virtuellen Welt herumzusurfen, wenn es in der wirklichen Welt so viele schöne Sachen zu sehen und zu tun gibt?“
Er lachte so herzlich, dass das Paar am Nachbartisch fast ein wenig neidisch zu ihnen herüberblickte. „Sind Sie wirklich echt, Lily Scott?“, fragte er leise.
Ihr war plötzlich ganz schwindelig. Der sanfte Blick seiner samtbraunen Augen machte sie schwach und verletzlich. Wider alle Warnungen ihrer Vernunft fühlte sie, wie ihre Brustwarzen unter dem weichen Stoff ihres blauen Kleides hart wurden und ein sehnsüchtiges Verlangen ihren Körper durchflutete. Er ist wirklich gefährlich, schoss es ihr durch den Kopf. Laut sagte sie: „O doch, ich bin sogar sehr echt. Aber Sie sind es für mich noch nicht. Was sollte ich also über Sie wissen, bevor Sie hier mit Ihren Bulldozern anrollen?“
„Warum stehen wir Bauunternehmer immer in dem Ruf, nur zu zerstören?“
„Wo Sie doch eigentlich idealistische Umweltschützer sind?“
„He, ich habe nicht vor, das Haus dem Erdboden gleichzumachen, Lily.“
„Wirklich nicht?“
Er blickte ihr direkt in die Augen. „Wirklich nicht. Ich plane, im Gegenteil, den Umbau zu einem Hotel im Einklang mit der alten Bausubstanz. Mit anderen Worten, ich werde Ihr schönes Haus restaurieren, dass es wieder in seiner alten Pracht erstrahlt, und in ein kleines, aber feines Luxushotel in ländlicher Idylle umwandeln.“
Sie
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