Julia Extra Band 367
ein. Vielleicht sollte sie einfach ehrlich mit ihm sein. Denn Ciro D’Angelo war ganz offensichtlich ein Draufgänger, und sie war nicht für ein flüchtiges erotisches Abenteuer zu haben, egal wie reich oder sexy der Mann auch sein mochte. „Ich … gehe nicht sehr oft mit Männern aus.“
„Das kann ich kaum glauben.“
„Es ist aber wahr.“
„Dann sollten Sie in meinem Fall eine Ausnahme machen“, schlug er vor.
Der sanfte Klang seiner tiefen Stimme war wie eine zärtliche Liebkosung. Lily wusste, dass sie nein sagen sollte. Natürlich, denn er weckte in ihr Wünsche, an die sie gar nicht denken wollte. Sehnsüchte, die sie längst vergessen zu haben glaubte. Oder genauer, die Person, die solche Wünsche einmal gehegt hatte. Die Frau, die sie gewesen war, bevor ihr Verlobter sie sitzen gelassen hatte. Wie damals weckte nun Ciro plötzlich wieder den Wunsch in ihr, Seidenstrümpfe und erotische Spitzendessous zu tragen. Sie wollte seine Hände auf ihrem ganzen Körper spüren, wollte dieses süße, wilde Verlangen fühlen, das sie aus ihrem Gedächtnis gelöscht zu haben glaubte. Und ihr war klar, wie gefährlich der aufregende Italiener ihr werden konnte. „Ich weiß wirklich nicht“, antwortete sie ausweichend.
Ciro spürte ihr Zögern. Liebte es. „Bitte“, sagte er lächelnd.
„Ich frage mich“, überlegte Lily, „warum ein Kosmopolit und offensichtlich so erfolgreicher Geschäftsmann wie Sie sich überhaupt so ein großes altes Haus mitten auf dem Land in England kauft.“
„Ich habe vor, es zu einem Hotel umzubauen.“
Lily sah ihn entsetzt an. „Sie wollen aus dem Gutshaus ein Hotel machen?“
„Ein sehr geschmackvolles, exklusives Luxushotel wie alle meine Hotels“, verteidigte er seine Pläne. „Erkundigen Sie sich ruhig, wenn Sie mir nicht glauben.“
Aber Geschmack war immer noch Ansichtssache. Lily jedenfalls wollte sich nicht ausmalen, wie aus ihrem vertrauten Heim eine unpersönliche Luxusherberge für Gutbetuchte wurde. „Und damit wollen Sie mich beschwichtigen?“
Es lag ihm auf der Zunge, zu antworten, dass er das gar nicht nötig hatte. Tatsächlich aber war er so verrückt nach ihr, dass er sogar bereit war, ihre Anmaßung zu übergehen. „Wenn es bedeutet, dass Sie mit mir zu Abend essen, ja … dann möchte ich Sie damit beschwichtigen. Kommen Sie, Lily. Es ist nur ein Abendessen. Wovor haben Sie Angst?“
Vor allem , hätte sie ihm am liebsten geantwortet. Die ganze Welt kam ihr augenblicklich beängstigend vor. Sie sorgte sich um die Zukunft ihres Bruders und fragte sich, wie sie beide in der winzigen Wohnung über der Teestube zurechtkommen würden. Andererseits spürte sie auch, dass sie auf dem besten Weg war, sich zu einer Einsiedlerin zu entwickeln. Sie konnte sich gar nicht erinnern, wann sie zuletzt versucht gewesen war, die Einladung eines Mannes anzunehmen. Ihre zerbrochene Beziehung mit Tom hatte sie tief verletzt, ja, aber stand sie nicht längst in der Gefahr, sich ihr ganzes Leben von dieser einen schlimmen Erfahrung ruinieren zu lassen? Warum sollte sie nicht den Abend mit Ciro D’Angelo verbringen – es sei denn, sie hielt sich für so schwach, seinen erotischen Avancen nicht widerstehen zu können?
„Es darf aber nicht so spät werden.“
Ciro lächelte triumphierend. „Wie ist Ihre Telefonnummer?“ Er nahm die Zahlen mit einem Nicken zur Kenntnis, ohne sie sich zu notieren, und reichte Lily im Gegenzug seine Visitenkarte. „Ich rufe Sie an.“
Im Hinausgehen hielt Ciro automatisch einer älteren Frau die Tür auf, die gerade im Begriff stand, die Teestube mit einem Arm voll Marmeladengläsern zu betreten und ihm neugierig nachblickte.
Ciro war in Hochstimmung. Minuten zuvor hatte er tatsächlich für einen Moment geglaubt, Lily Scott würde ihm einen Korb geben. Für den Bruchteil einer Sekunde hatte er Verunsicherung verspürt, ein für ihn gänzlich ungewohntes Gefühl.
Andererseits, war es nicht viel besser, viel aufregender so? Wenn der Mann die Frau umwerben und sich Mühe geben musste, um sie ins Bett zu bekommen, anstatt dass sie sich ihm sofort an den Hals warf? Nur, dass er es zum ersten Mal erlebte. Durch das Schaufenster warf Ciro einen Blick zurück in die Teestube auf die bezaubernde Lily mit ihren reizvollen Rundungen, ganz in zartes Rosa gekleidet. Ob ihr bewusst war, dass er völlig verrückt nach ihr war?
Entschlossen presste er die Lippen zusammen. Wer ihn kannte, wusste, was dieser Ausdruck bedeutete. Ciro
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