Julia Extra Band 367
überhaupt begehren? Wahrscheinlich hatte er mich nur aus einem Impuls heraus geküsst. Vermutlich betrachtete er mich inzwischen als eine Herausforderung.
Und das war ich auch für Charles gewesen.
Allerdings war George ganz anders. Ich wusste, dass er mich mochte, aber vielleicht würde ich ihn ja langweilen, sobald er mich erobert hätte. Schlimmer noch, was wäre, wenn ich ihn im Bett enttäuschte? Schließlich war ich alles andere als erfahren und konnte den tollen Annabels dieser Welt nicht das Wasser reichen.
Diese ungestillte Sehnsucht, die nagenden Zweifel und der Frust quälten mich so sehr, dass ich richtig froh über die Ablenkung war, als endlich das Wochenende kam, an dem Saffrons Feier stattfinden sollte.
Unter lauten „Ahs“ und „Ohs“ stiegen Saffron und ihre Freundinnen aus den Wagen. Einigen dieser Frauen war ich schon mal begegnet, aber es fiel mir immer noch schwer, sie auseinanderzuhalten. Sie hatten Namen wie Feathers oder Jinx, strichen sich ständig das Haar zurück und klimperten mit den künstlichen Wimpern.
Auch die Männer waren so glamourös, dass ich mich sofort wieder wie ein unbeholfener Teenager fühlte. Aber Saffron war glücklich, und Jax erschien rechtzeitig zum Abendessen. Das war alles, was zählte, wie ich mir einredete.
Whellerby Hall war wirklich beeindruckend. Schon seit Ostern war es für die Öffentlichkeit zugänglich, und alles blitzte vor Sauberkeit. Die Gästezimmer im Ostflügel waren hergerichtet, und in der Küche liefen die Vorbereitungen für das Festessen auf Hochtouren.
Nach ausführlichen Gesprächen mit Mrs Simms hatte ich die Dekoration auf frischen Blumenschmuck beschränkt, was zum Motto der Feier passte. Auf dem polierten Mahagonitisch im Esszimmer standen runde Vasen mit Pfingstrosen, im Salon, wo alle einen Drink nahmen, hohe mit Lärchensporn und Phlox. Es war ein wunderschöner Maiabend, und die hohen Türen standen offen, sodass man auf die Terrasse gehen und den Blick auf den See genießen konnte.
George hatte sich bereit erklärt, auch Getränke zu servieren, aber Saffron hatte davon nichts hören wollen. „Du und Roly seid auch meine Gäste“, hatte sie erklärt. „Ich möchte nicht, dass der Freund meiner Schwester am Tisch bedient.“
Das bedeutete leider auch, dass ich ebenfalls zu den Gästen zählte. Ich hätte es viel lustiger gefunden, mich mit George unter das Personal zu mischen. Er durfte allerdings nur die Cocktails mixen, während ich mich damit begnügen musste, von Zeit zu Zeit zu erscheinen und nach dem Rechten zu sehen.
7. KAPITEL
In den Kostümen sahen die Gäste alle umwerfend aus. Die Männer trugen Fracks, während die Frauen sich mit den bezaubernden Abendkleidern und dem exquisitem Schmuck gegenseitig ausstachen.
Nur ich fiel natürlich aus der Rolle. Ich trug ein ganz schlichtes dunkelgrünes Seidenkleid mit kurzen Ärmeln und einem runden Ausschnitt, der die Schultern nur unzulänglich bedeckte. Trotzdem zeigte ich viel weniger Haut als die meisten anderen Frauen. Saffron zog in einer mitternachtsblauen, perlenbestickten Kreation mit schmalen Trägern und einem tiefen Rückenausschnitt alle Blicke auf sich, und Roly hatte nur Augen für sie.
Neben ihr wirkte ich wie die arme Verwandte, aber dafür trug ich zumindest ein antikes Kleid. Roly hatte mir vorgeschlagen, auf dem Dachboden nachzusehen, wo ich mehrere alte Truhen voller Kleidung gefunden hatte. Mrs Simms hatte mir netterweise dabei geholfen, es zu ändern. Es erfüllte seinen Zweck, indem es mich unsichtbar machte, und so konnte ich mich in die Küche flüchten und nachsehen, ob alles nach Plan lief.
Roly hatte die Absperrungen entfernen lassen, die die Besucher normalerweise von den Möbeln im Wohnzimmer fernhielten. Ich fürchtete, jemand könnte etwas von seinem Drink verschütten oder etwas kaputtmachen, doch er wischte meine Bedenken beiseite.
„Das Haus ist kein Museum, sondern man soll darin wohnen“, erinnerte er mich. „Und es ist schön, wenn es wieder genutzt wird.“
Saffron stand im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit und war ganz in ihrem Element. Dass sie so glücklich wirkte, freute mich. Zum Schluss hatten wir uns darauf geeinigt, das Ehepaarspiel zu streichen. Saffron hatte so wenig Fragen beantworten können, dass wir gefürchtet hatten, das Ergebnis könnte auf eine große Distanz zwischen den beiden hindeuten. An diesem Abend war Jax allerdings der perfekte Verlobte. Er sah wahnsinnig toll aus und bemerkte beiläufig, dass
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